Tollkühne Rückkehr in den Eiskanal

Elf Monate nach einem Horrorsturz führt Rodler Thomas Steu die Weltcupwertung an.
Bludenz Das Jahr 2020 beinhaltet für Thomas Steu sämtliche Höhen und Tiefen, die sich ein Sportler oft nicht einmal in den kühnsten Träumen vorstellen kann. Zunächst der EM-Titel in der Teamstaffel und Silber im olympischen Doppelsitzer – vier Tage später ein Horrorsturz, der die sportlichen Ziele in weite Ferne rücken ließ. Am Ende kann der 26-jährige Bludenzer aber über keine endlose Pechsträhne, sondern ein Comeback wie aus dem Bilderbuch zurückblicken. Nach fünf Podestplätzen in sechs Rennen wechseln Steu und sein gleichaltriger Tiroler Teamkollege Lorenz Koller als Leader in der Weltcup-Gesamtwertung ins neue Jahr. Großes Ziel ist eine Medaille bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking, nachdem bei der Premiere im Zeichen der olympischen Ringe 2018 in Südkorea als Vierter 0,297 Sekunden fehlten.
Niederschmetternde Diagnose
Rückblende: Am 22. Jänner kamen Steu und Koller mit ihrem Doppelsitzer beim Training im Eiskanal von Sigulda (Lettland) schwer zu Sturz. Während die Folgen für Koller mit mehreren blauen Flecken und einigen Prellungen überschaubar waren, erwischte es Steu beträchtlich heftiger. Die niederschmetternde Diagnose nach der Rückkehr ergab einen Schien- und Wadenbeinbruch im linken Fuß, dazu kamen ein luxierter Knöchel und ein Bruch am Handgelenk, der ebenfalls operiert werden musste.
Mit jener Beharrlichkeit, mit der sich Steu die allerkleinsten Feinheiten für die Lenkbewegungen im Kampf um die Sekundenbruchteile in den diversen Eiskanälen einprägte und die ihn in den letzten Jahren an die Weltspitze brachte, kämpfte sich der Bludenzer zurück. Dank der Unterstützung des Österreichischen Verbands und des Olympiazentrums Vorarlberg verlief die Reha nahezu ohne Probleme. An den Sturz erinnern noch zwei Metallplatten und 25 Schrauben, die Ende des Winters aber entfernt werden sollen. „Beim Rodeln selbst irritiert mich der Fuß nicht. Lediglich Sprinten, Hüpfen oder Krafttraining mit den Beinen geht noch nicht.“
Gehandikapt beim „Pratzeln“
Wesentlich hartnäckiger erwies sich die Handverletzung, die besonders die Leistung beim im Rodelsport extrem wichtigen Start beeinträchtigte. „Da gibt es sicher noch etwas Nachholbedarf, bis wir wieder zum elitären Kreis der besten Starter gehören.“ Eine kurze Schrecksekunde gab es zu Saisonbeginn bei einem Trainingslehrgang in Sigulda. Bei der ersten Trainingsfahrt kamen Steu/Koller erneut an derselben Stelle wie im Jänner zu Sturz. „Spätestens da ist mir klar geworden, dass es nicht so einfach wird, speziell auf der Bahn in Sigulda, wieder an die Spitze zu fahren.“
Doppelpack beim Auftakt
Doch Steu und Koller warfen alle Energie in die Waagschale und wurden gleich zu Saisonbeginn für ihren Trainingsfleiß belohnt. Zum Auftakt der Weltcupsaison auf ihrer Heimbahn in Innsbruck-Igls ließen sie die Kufen so richtig glühen und schoben sich mit ihren Triumphen im olympischen Doppelsitzer und im Sprint ins Rampenlicht. Spätestens nach dem Sieg in Altenberg und den zweiten Plätzen in Oberhof und Winterberg war klar, dass mit Steu und Koller auch in dieser Saison zu rechnen ist. Die überlegene Führung in der Weltcup-Gesamtwertung ist ein Beweis dafür, dass Österreichs Parade-Doppelsitzer im Jänner 2021 bei der EM Anfang Jänner in Sigulda und drei Wochen später bei der WM in Berchtesgaden-Königssee, aber auch bei Olympia 2022 zum kleinen Kreis der Gold-Kandidaten zählen.
Gold in anderer Form gab es zum Abschluss des Jahres, als der Bludenzer und sein Partner in Tirol als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet wurden. Zudem wurde HLSZ-Sportsoldat Steu beim Bundesheer zum Zugführer befördert.