„Häftling Nr. 1935, ich lebe noch“

Zeitzeugin der zweiten Generation berührt Schüler des BG Feldkirch mit ihrer Geschichte.
Feldkirch 80 Jahre ist es her, dass die Nationalsozialisten die Macht in Österreich übernommen haben. Zeitzeugen werden leider bald nicht mehr zur Verfügung stehen, umso wichtiger ist es, dass die Erinnerung weitergegeben wird. Der Einsatz dieser Nachgeborenen ist deshalb von großer Bedeutung. Die Kinder der Zeitzeugen sind sehr wohl in der Lage, die Geschichte ihrer Eltern weiterzugeben sowie aufzuzeigen, wohin Intoleranz, Vorurteile und Verhetzung führen können.
Eine solche Zeitzeugin der zweiten Generation war vor Kurzem zu Gast im Gymnasium Feldkirch Rebberggasse. Ingrid Portenschlager gab Schülern der 4a, 4d und 4e Einblicke in die dramatische Lebensgeschichte ihres Vaters Ernst Reiter. Sie erzählt, was es für sie bedeutete, von einem schwer traumatisierten Menschen erzogen zu werden.
Vier Jahre Gefangenschaft im KZ
Portenschlager wurde 1949 – also vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – in Graz geboren. Schon als Kind empfand sie, dass ihren Vater etwas Bedrückendes umgab, jedoch sprach er viele Jahre nicht über seine Erlebnisse. Er war aus Glaubensgründen – er war Zeuge Jehovas – Kriegdienstverweigerer. Das brachte ihm Zuchthaus und letztendlich vier Jahre Konzentrationslager in Flossenbürg (Bayern) ein. Er und viele andere waren bereit, für ihre Überzeugung („Du sollst nicht töten“) zu sterben. Mit sehr viel Glück überlebte er das KZ.
Hauptfeldwebel Pongratz
Im Strafvollzug in Bayreuth traf er auf den Hauptfeldwebel Pongratz, der so zornig über Reiters ablehnende Haltung zum Dienst mit der Waffe war, dass er schrie: „Lebend werden Sie hier nicht mehr herauskommen!“ Es ist dieser Feldwebel, den Reiter in seinem ersten Urlaub mit der Familie treffen wollte. Der Urlaub führte an die tschechische Grenze und zum Konzentrationslager Flossenbürg. Hauptfeldwebel Pongratz war mittlerweile Bürgermeister in Landshut, wo Reiter und seine Familie vorbeifuhren, um diesem auszurichten: „Grüße von Ernst Reiter. Häftling Nummer 1935, ich lebe noch!“ Insbesondere diese Begegnung war besonders eindrücklich für die jungen Zuhörer: „Es hat mich sehr berührt, dass der Mann zu diesem Hauptfeldwebel gefahren ist, um ihm auszurichten, dass er noch lebt“, so einer
der Schüler im Anschluss an den Vortrag. Auf von anderer Seite gab es nur Lob für die Ausführungen von Portenschlager: „Ich fand es sehr toll, dass sie uns erzählt hat, wie es ihr im Kindesalter ergangen ist und wie sich der Vater gefühlt hatte.“
Portenschlager ist Mitglied im Verein Lila Winkel, dabei handelt es sich um eine Vereinigung zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit.