Hauptsache einfach pflanzlich?

Gesund / 28.12.2012 • 10:55 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Johanniskrautpräparate sind als Naturheilmittel besonders beliebt. Foto: fotolia
Johanniskrautpräparate sind als Naturheilmittel besonders beliebt. Foto: fotolia

Auch Phytopharmaka sind Arzneimittel und erfordern eine sorgfältige Anwendung.

Gemisch. Pflanzliche Arznei- und Heilmittel wurden schon immer in den verschiedensten Medizinsystemen verwendet: in der modernen und der traditionellen naturheilkundlichen Phytotherapie, der Homöopathie, der anthroposophischen Medizin oder auch der Ethnomedizin (z. B. TCM, Ayurveda). Die Qualität der pflanzlichen Extrakte wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt: Pflanzenspezies, verwendete Pflanzenteile, Qualität des Pflanzenmaterials, die aber schon durch Standort und Jahreszeit variieren kann.

Variantenreich

Grundsätzlich gilt: Phytopharmaka sind Arzneimittel auf pflanzlicher Basis. Das heißt, sie müssen wie alle anderen Medikamente durch die Arzneimittelbehörde zugelassen werden. Damit weisen die Hersteller auch Wirksamkeit, pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit nach. Allerdings bestehen die Pflanzenprodukte nicht nur aus einer einzelnen Substanz, sondern häufig aus einem Gemisch von verschiedenen Inhaltsstoffen. Wie sich diese im Körper genau verhalten, ist oft nicht ausreichend erforscht. Ein Problem bei der Bewertung von Pflanzenpräparaten ist die Standardisierung. Denn die Pflanzenextrakte sind Vielstoffgemische, die von Präparat zu Präparat variieren – je nach Zusammensetzung, Konzentration und Extraktionsverfahren.

Johanniskrautpräparat ist also nicht gleich Johanniskrautpräparat. Auf einen standardisierten Extrakt, eine klare Deklaration der Inhaltsstoffe und eine exakte Dosierung kommt es an. „Wir können anhand unserer Produktinformationen die Qualität und Standardisierung der in Österreich zugelassenen Phytopharmaka beurteilen. Seriöse Hersteller bieten solche Informationen auch bei pflanzlichen Produkten an, die als Nahrungsergänzungen oder Medizinprodukte zugelassen sind“, erklärt Mag. Guntram Mähr von der Lebensquell-Apotheke in Dornbirn-Haselstauden.

Wirkung und Nebenwirkung

Oft werden Phytopharmaka fälschlich als „sanfte Medizin“ eingeschätzt. 82 Prozent der Patienten glauben, dass bei der Therapie deutlich weniger unerwünschte Wirkungen auftreten. Doch gerade auch für die Phytomedizin gilt: Was wirkt, hat Nebenwirkungen. Jetzt warnt auch eine aktuelle Studie vor möglichen Wechselwirkungen von bestimmten pflanzlichen Stoffen mit anderen Medikamenten. Wissenschafter der taiwanesischen China Medical University in Taichung gingen der Frage nach, wie Pflanzenheilstoffe und andere Arzneimittel aufeinander reagieren können. Über 200 pflanzliche Heilmittel könnten demnach mit mehr als 500 Wirkstoffen reagieren. Das Wissen über die möglichen Wechselwirkungen ist allerdings noch sehr gering.

Gegenseitige Beeinflussungen

Schon seit Längerem sind bei einigen pflanzlichen Stoffen Wechselwirkungen bekannt. Pflanzliche Arzneimittel können im Prinzip durch zwei unterschiedliche Mechanismen die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Erstens, indem sie diese Wirkung verstärken oder abschwächen, und zweitens, indem sie Enzym- und Transportsysteme in Leber und Darm beeinflussen und somit Abbau und Ausscheidung anderer Arzneistoffe verändern. So kann etwa das als Stimmungsaufheller beliebte Johanniskraut den Stoffwechsel etlicher Arzneimittel beschleunigen. Es erhöht die Aktivität von Leberenzymen sowie Transportern in der Darmschleimhaut und beschleunigt so die Ausscheidung bestimmter Medikamente, was deren Wirkung abschwächt.

Weitere beliebte Pflanzenheilstoffe mit bekannten Wechselwirkungen sind Ginseng, Gingko, Echinacea, Baldrian, aber auch Knoblauch. Besondere Aufmerksamkeit sollte für Patienten gelten, die mit Blutgerinnungshemmern, Chemotherapeutika, Immunsupressiva (hemmen die Immunabwehr) und Protease-Inhibitoren (hemmen den Abbau von Proteinen) behandelt werden. Die amerikanische Anästhesiologengesellschaft empfiehlt sogar, zwei Wochen vor einer geplanten Operation die pflanzliche Medikation einzustellen.

Interaktionscheck möglich

Guntram Mähr dazu: „Wenn es um die Information bezüglich Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten geht, kann der Apotheker leicht Abhilfe schaffen. Er hat die Möglichkeit, auch für Phytopharmaka einen Interaktionscheck zu machen. Wir sind aber auf die Zusammenarbeit mit dem Patienten angewiesen, der uns mitteilt, welche Medikamente er sonst einnimmt. Mit diesen Informationen können wir abklären, ob die Einnahme möglich oder sinnvoll ist.“

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