„Begleitung kann entlasten“

Die Schwangerschaft bedeutet meist eine Zeit voller intensiver und gemischter Gefühle.
Feldkirch. (VN-mm) Früher war eine Frau einfach nur schwanger. Großmütter und Mütter der heutigen Frauengeneration arbeiteten oft bis zum Termin der Geburt. Und danach ging es gleich weiter. Heutzutage wollen werdende Eltern auf „Nummer sicher“ gehen und tun alles für eine gelingende Schwangerschaft. Was letztlich aber oft auch Herausforderungen und Belastungen mit sich bringt.
Kann Frau in Zeiten, in denen man alles abgesichert haben will, überhaupt noch „einfach nur schwanger sein“?
Jochum: Wie alle großen Lebensveränderungen ist auch die Schwangerschaft eine Zeit von intensiven und gemischten Gefühlen. Heute ist es für Frau nicht mehr selbstverständlich Kinder zu bekommen, die Lebens- und Beziehungssituationen sind vielfältig, und es geht unter anderem um Fragen der Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Kind und Lebensplänen. Frau und Mann fühlen sich aber auch mehr als früher verantwortlich für das „Gelingen“ der Schwangerschaft. Zudem gibt es unzählige (Internet-)Ratgeber und eine wachsende Zahl an möglichen vorgeburtlichen Untersuchungen. All das kann auch verunsichern.
Mit welchen Fragen kommen Frauen bzw. Paare in die Beratung?
Jochum: Die Fragestellungen sind vielfältig. Die häufigsten Themen sind finanzielle und rechtliche Fragen, körperliche und/oder psychische Überlastung, eine ungeplante Schwangerschaft, Partnerschaftsprobleme, Trauer über ein verlorenes Kind, vorgeburtliche Untersuchungen bis hin zum unerfüllten Kinderwunsch. Zudem spitzen sich in einer Schwangerschaft manchmal Lebensthemen zu. Das ist aber auch eine Chance, anstehende Entwicklungsschritte zu gehen.
In welchen Bereichen fühlen sich werdende Eltern unsicher?
Jochum: Die Vielfalt vorgeburtlicher Untersuchungen und eventuelle Befunde können Fragen aufwerfen, verunsichern und ängstigen. Soll ich diese zusätzliche Untersuchung machen oder nicht? Was, wenn der Verdacht auf eine Fehlbildung des Kindes besteht? Werdende Eltern beschäftigt, was bei der Geburt wohl auf sie zukommt und wie sie all die Anforderungen, die der neue Lebensabschnitt mit sich bringen wird, bewältigen können. Begleitung durch neutrale, professionelle Beraterinnen kann hier entlasten.
Sollte eine Beratung nicht schon vor einer Schwangerschaft stattfinden?
Jochum: Bei bestimmten Erbkrankheiten in der Familie oder bei einer belasteten Vorgeschichte eines Partners bzw. Elternteils ist eine Beratung bereits zum Zeitpunkt des Kinderwunsches sicher sinnvoll. Oft treten Ängste und Unsicherheit aber erst mit der Schwangerschaft auf. Die Partnerschaft selbst kommt durch die Schwangerschaft ebenfalls in eine neue, herausfordernde Phase. Wir ermutigen deshalb auch Männer, an der Beratung teilzunehmen.
Ist eine Beratung überhaupt Thema oder kommen die Frauen bzw. Paare nur, wenn es Probleme gibt?
Jochum: Frauen und Paare wenden sich für Beratung auch an uns, wenn sie „nur“ sachliche Informationen brauchen, etwa zu den komplexen Varianten bei Karenz, Kinderbetreuungsgeld oder Elternteilzeit, auch zu Grenzgängerfragen oder um alles für einen guten Schwangerschaftsverlauf zu tun und sich gut auf die Geburt vorzubereiten. In diesem Sinne veranstalten wir gemeinsam mit der Arbeiterkammer und Hebammen in Dornbirn und Feldkirch „Informiert schwanger“-Abende. 25 Prozent der Schwangeren besuchen diese Abende, meist zusammen mit den werdenden Vätern.
Wovor haben werdende Eltern am meisten Angst?
Jochum: Dass mit dem Kind etwas nicht stimmen könnte, war immer schon die größte Angst von Eltern. Durch die vorgeburtlichen Untersuchungsmöglichkeiten können heute viele Krankheiten oder Fehlbildungen des Kindes sehr früh erkannt werden, eine Behandlung ist jedoch nach wie vor in den wenigsten Fällen möglich. In diesen schwierigen und emotional sehr belastenden Situationen bei Verdacht oder Diagnose einer Fehlbildung stellen die Beraterinnen für die Betroffenen einen geschützten Rahmen zur Verfügung, um in Ruhe bewusste und mit den eigenen Lebensentwürfen übereinstimmende Entscheidungen treffen zu können.
Was wünschen sich werdende Eltern am meisten?
Jochum: Was sich werdende Eltern am meisten wünschen, ist ein gesundes Kind – und darüberhinaus, dass es in eine „gute“ Partnerschaft hineingeboren wird. In unserer Arbeit ist es uns wichtig, Frauen, Männer und Paare zu stärken, die Beziehung zum Kind schon in der Schwangerschaft zu fördern und so die Gesundheit von Kind und Eltern – in einem umfassenden Sinn – zu unterstützen.
In welcher Form können Sie helfen?
Jochum: Kompetente Information und Beratung entlastet und stärkt Frauen und Paare in vielen Situationen. Wir bieten aber auch Psychotherapie an, zum Beispiel nach einer traumatischen Totgeburt oder bei schwierigen Trauerprozessen. Wenn es notwendig ist, begleiten wir Frauen über einen längeren Zeitraum, oft in Zusammenarbeit mit Ärztinnen oder Hebammen und mit anderen sozialen Einrichtungen. Darüber hinaus können wir durch die Mittel der Sophie von Liechtenstein Stiftung bei Bedarf auch finanzielle Unterstützung leisten.
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