Nordic statt Orthopädic Walking

Gesund / 15.03.2013 • 11:58 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Thomas Bochdansky (oben) und Günter Höfle sorgten für einen vollen Panoramasaal im LKH Feldkirch. Foto: vn/hartinger
Thomas Bochdansky (oben) und Günter Höfle sorgten für einen vollen Panoramasaal im LKH Feldkirch. Foto: vn/hartinger

Bei Rheuma ist Nichtstun geradezu Gift für die Gelenke. Training muss angepasst sein.

Feldkirch. (VN-mm) Hilft Katzenfell tatsächlich bei Rheuma? Diese eine Frage entzweite für einmal selbst die erfahrenen Mini-Med-Referenten. Während Primar Günter Höfle, Internist und Chefarzt im LKH Hohenems, ein klares „Nein“ hören ließ, kam vom Leiter der Reha-Klinik Montafon, Primar Thomas Bochdanksy, ein deutliches „Ja“. Letztgültiges Fazit: Rheuma-Betroffene sollen für sich in Anspruch nehmen, was ihnen guttut. Das gilt für Akupunktur ebenso wie für diverse Kälteanwendungen oder spezielle Nahrungsmittel. Wovor die Mediziner aber dezidiert abrieten, war die Magnetfeldtherapie. „Für eine Wirksamkeit fehlen jegliche wissenschaftliche Belege“, sagte Günter Höfle.

Hohe Betroffenheit

Das Thema bewegt. Der Pa-noramasaal im LKH Feldkirch war bis auf den letzten Platz besetzt. Allerdings ist auch die Betroffenheit entsprechend groß. Rund ein Prozent der Vorarlberger Bevölkerung plagt sich etwa mit der rheumatoiden Arthritis ab. Das sind immerhin fast 4000 Personen. Je früher das Leiden erkannt wird, desto besser lässt es sich behandeln. Doch die Diagnosefindung ist mitunter schwierig, weil nicht jeder Gelenksschmerz gleich Rheuma bedeuten muss. „Zudem gibt es 400 verschiedene Arten von Rheuma“, verdeutlichte Primar Günter Höfle das Problem.

Die große Kunst der Ärzte besteht darin, zu differenzieren, um Betroffenen die jeweils passende Therapie anbieten zu können. Neue, von der europäischen und der amerikanischen Rheumaliga gemeinsam erarbeitete Kriterien erleichtern inzwischen das Unterfangen. Je mehr Diagnosearme, umso sicherer, heißt die Devise. Ein wichtiger Faktor neben anderen ist die Dauer der Beschwerden. „Spätestens nach sechs Wochen ist eine ärztliche Abklärung dringend angeraten“, betonte Höfle.

Gelenkszerstörung verhindern

Rheuma kann umweltbedingte, hormonelle oder genetische Ursachen haben. Auch Infektionen können dafür verantwortlich sein, dass der Körper gegen die Gelenkshaut vorgeht. Sogenannte T-Zellen sorgen insofern für eine Fehlreaktion, als die Zellen der Gelenkshaut zu wachsen beginnen, sich verdicken und Flüssigkeit absondern. Die Folge ist ein Abbau von Knochen und Knorpel. Die medizinische Therapie hat sich laut Höfle massiv weiterentwickelt und ist auch erfolgreich. Entzündungshemmer, Tabletten bzw. Tablettenkombinationen und Biologika helfen, die Krankheit in Schach zu halten. Ziel ist es, eine weitere Zerstörung der Gelenke zu verhindern. Primar Höfle warnte jedoch davor, auf einen schnellen Erfolg zu hoffen. „Es kann einige Wochen dauern, bis die Medikamente wirken.“ Bei der Anwendung von Kortison, das rasch hilft, empfahl er „Augenmaß“. Biologika, das sind körperähnliche Eiweißstoffe, welche die Ausbreitung der Entzündung blockieren, nützen vielen, aber nicht allen Patienten.

Ein weiteres häufiges Leiden im Zusammenhang mit Rheuma sind entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen sowie Arthrosen, also Abnützungen an den Gelenken. Bei Letzteren sollten Schmerzmittel zurückhaltend angewendet werden. Auch bei den entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen hat eine nichtmedikamentöse Therapie Vorrang.

Passivität macht krank

Vielen Rheumaerkrankungen eigen ist der Umstand, dass Schmerzen die Betroffenen oft zu körperlicher Passivität veranlassen. Doch damit beginnt ein Teufelskreis. Denn: „Ein Mangel an Bewegung führt nur zu weiterem Knorpelverschleiß“, erläuterte Primar Thomas Bochdansky. Schon sechs Wochen Ruhestellung erfordern 12 Monate Remobilisation. Deshalb gelte es, die Heilkraft der Bewegung auszunutzen. Bochdansky: „Ein angepasstes Training verbessert bei Rheuma die körperliche Kapazität und Muskelkraft, ohne Krankheitsaktivität und Schmerzen zu erhöhen.“ Stattdessen wird ein schützender Effekt auf die Gelenke erreicht.

Eine andere klare Aussage des Experten: „Training reduziert Behinderungen im alltäglichen Leben bei Patienten mit Kniegelenksentzündungen.“ Auch Tanzen, Tai-Chi und Anwendungen nach Pfarrer Kneipp bewähren sich bei Rheuma. Deshalb: „Machen Sie lieber Nordic Walking statt irgendwann Orthopädic Walking“, so der gute Rat des Facharztes für Physikalische Medizin.

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