Spurensuche nach Sinn im Leben

Psychotherapeut Johannes Rauch referierte zu diesem Thema in Lustenau.
Lustenau. „Was ist der Sinn des Lebens? Was ist meine Lebensaufgabe?“ Wie viele Menschen hetzen ein Leben lang diesen Fragen hinterher, um Antworten zu finden, obwohl sie in den seltensten Fällen eine darauf erhalten? „Vielleicht liegt es daran, dass es den ‚Sinn des Lebens‘ gar nicht gibt“, wie Johannes Rauch, Leiter der Therapiestation Carina, sagt. Vielmehr gebe es einen Sinn im Leben.
Wo diese Sinnhaftigkeit im Leben steckt, erzählte er bei einem Vortrag im Naturgeschäft „Ilgo“ in Lustenau. Am Anfang stehe die existenzielle Dynamik, sagte er. „Das ist das Wesen des menschlichen Seins. Für ein ausgefülltes Leben braucht es ein Commitment, ein ‚Ja‘ zum Leben und mich als Architekt“. Rauch: „Auch wenn die Gene eine große Rolle spielen und wir in einer Form immer wie unsere Eltern werden, obwohl wir es mit aller Kraft vermeiden wollen: die Persönlichkeit ist ein dauerndes Werden und hört nie auf.“
Weg zu den Werten
Wie bildet sich die Persönlichkeit? Das „Ich“ hat eine Verbindung zu meinen ganz individuellen Werten. Manche sind übernommen, manche gebildet. Rauch: „Auf dem Weg zu meinen Werten nehme ich in Kauf, mich damit mühsam auseinanderzusetzen, mich auf einen steinigen Weg zu begeben, Schwierigkeiten und Hindernisse hinzunehmen.“ Auf der anderen Seite sieht Rauch den einfachen Weg. In der Psychotherapie wird er die schiefe Bahn genannt. Der einfache, schnelle Weg zu den Werten ist ein scheinbarer: gepflastert mit (kriminellen) Versuchungen und überdeckt von Konsum.
Verzweifelte Jugend
Die Gefahren, einfach und schnell auf die schiefen Bahn zu gelangen, sieht Johannes Rauch unter anderem in der heutigen Konsumgesellschaft: Wo Waisenkinder in Afrika aus existenziellen Gründen ihr Leben bejahen müssen und lernen, sich selbst zu versorgen, sei unsere Jugend durch das „Scheinbare“ besonders gefährdet: „Die jungen Menschen sind verzweifelt, wenn wir nicht vorleben, wie man dem Leben seine Zustimmung gibt.“ Zustimmung heiße, das was mir wichtig ist, mit Herz und Bauch zu spüren. Rauch: „Es ist unser Gewissen.“ Der Therapeut empfiehlt den Menschen, sich ihre Freiheit zu bewahren, sich auf ihr Gefühl zu verlassen und das Gewissen immer wieder zu aktivieren und „abzufragen“: Lasse ich mich noch von Dingen berühren? Überprüfe ich mein Handeln? Konzentriere ich mich auf das Wesentliche? Denn das eigene Wesen geht verloren, wenn zu sehr nach Prinzipien und festgefahrenen Grundsätzen gelebt wird.
„Gutwärts“ gehen
In der Therapiestation Carina sieht er junge Menschen, die die Antwort des Lebens nicht mehr finden und ihnen deshalb die Hinwendung zum Leben fehlt. „Wir sind zeitlich begrenzt“, sagt Rauch, „deshalb ist Zeit kostbar.“ Aber das Zeitgefühl ist von der Grundstimmung abhängig. Ein gutes Gefühl erzeugt wieder ein gutes Gefühl: Ich gehe „gutwärts“. Denke ich negativ, programmiere ich mich auch so. „Am Ende“, erinnert Rauch, „stellt sich für uns alle die Frage: Wofür will ich gelebt haben?“. Sind es die Kinder, ist es die Firma? Habe ich Visionen zugelassen und habe ich auch für mich gelebt? „Stellt euch die Frage“, empfahl er zum Schluss und hinterließ ein nachdenkliches Publikum: „Wofür will ich gelebt haben? Ist es gut, dass ich lebe?“.
Johannes Rauch, 1947 in Schlins geboren, ist ausgebildeter Psychotherapeut mit Schwerpunkt Existenzanalyse und Logotherapie, Supervision und Coaching und leitet seit vielen Jahren die Therapiestation Carina (Abhängigkeitserkrankungen und Persönlichkeitsstörungen), eine Einrichtung der Krankenhaus Stiftung Maria Ebene, in Feldkirch.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit begeistert er sich auch noch für die Architektur, das handwerkliche und künstlerische Gestalten und das Schauspielen. Seit vielen Jahren engagiert er sich persönlich für die österreichische bilaterale Entwicklungshilfe in Afrika.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.