Hans Concin

Kommentar

Hans Concin

Hormontherapie im Wechsel

Gesund / 27.05.2016 • 10:06 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Der Hormon-Hype der 1990er-Jahre wurde 2002 jäh beendet. Eine große amerikanische Studie (WHI) wurde vorzeitig abgebrochen, weil sie für die „kombinierte Hormontherapie“ mehr Nachteile (unter anderem mehr Brustkrebs) als Vorteile gefunden hat. Zwei Jahre später wurde auch der „Östrogen-Mono-Arm“ der Studie wegen einer ungünstigen Bilanz abgebrochen, das Brustkrebsrisiko der Östrogengruppe war allerdings niedriger als in der Vergleichsgruppe ohne Östrogen.

 

In der Folge ist der Einsatz von Hormonen in den USA um 80 Prozent zurückgegangen, und somit haben seither ca. 20 Prozent der Frauen mit moderaten bis starken Wechselbeschwerden nicht mehr die wirksamste (Hormon-)Therapie erhalten. Diese Beschwerden können bis zu zehn Jahre und manchmal auch länger andauern.

Zahlreiche europäische Experten haben immer wieder auf die Fehler in der WHI-Studie hingewiesen: 95 Prozent der Studienteilnehmerinnen hatten keine Wechselbeschwerden, die Frauen waren zu alt (durchschnittlich 63 Jahre und nicht wie bei uns um die 50), es wurden künstliche, nicht körpereigene Hormone verwendet, die Hormondosis war um das Doppelte zu hoch, die Hormone wurden geschluckt und nicht, wie heute empfohlen, über die Haut verabreicht, die Hälfte der Frauen hatte Risikofaktoren wie Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Rauchen. Ein Teil der Frauen hatte schon Vorerkrankungen wie Diabetes, erhöhte Blutfette und Erkrankungen der Herzkranzgefäße.

Jetzt die Überraschung: Zwei renommierte Autoren der WHI haben in einem medizinischen Topjournal (NEJM) eine Kehrtwendung vollzogen („Menopause Management- Getting Clinical Care Back on Track“). Im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse fordern schon seit drei Jahren die führenden amerikanischen und europäischen Fachgesellschaften der Menopause, die Hormontherapie wieder korrekt einzuführen. Erstmals haben jetzt auch WHI-Vertreter ihre starre ablehnende Meinung revidiert und bedauern, dass neben der unterlassenen Therapie für viele Frauen mit Beschwerden in den vergangenen 14 Jahren die jungen Ärzte dadurch auch nicht die Praxis der Hormontherapie vermittelt erhalten haben. Diese unbefriedigende Situation hat dazu geführt, dass von Frauen und Ärzten oft komplementäre, wissenschaftlich nicht abgesicherte und von den Gesundheitsbehörden nicht kontrollierte Wege und Behandlungen mit erhöhten Risiken eingeschlagen wurden.

Wir haben die letzten 12 Jahre sehr viel gelernt. Grundsätzlich werden heute bioidente (körpereigene Hormone) Östrogene über die Haut bzw. Scheide verabreicht und das natürliche, ebenfalls bioidente Gelbkörperhormon, wegen Unsicherheiten bei der Resorption über die Haut, oral oder ebenfalls über die Scheide gegeben. Die Mixturen aus der Apotheke unterscheiden sich davon nicht, sie unterliegen allerdings nicht den strengen europäischen und nationalen Kontrollen und haben keinen kritischen Beipackzettel, obwohl kein Unterschied zu den Originalpräparaten besteht.

Die Hormontherapie in den Wechseljahren ist wieder auf Schiene.

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Prim. a. D. Dr. Hans Concin, Präsident aks Verein

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