Neuerkrankungen bei Alzheimer auf stabilem Niveau

Gesund / 30.09.2016 • 09:29 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das Alter ist der größte Risikofaktor für Demenz. Trotz günstiger Prognosen steigt die Zahl der Betroffenen. 
Das Alter ist der größte Risikofaktor für Demenz. Trotz günstiger Prognosen steigt die Zahl der Betroffenen. 

Gesünderer Lebenswandel und rege Hirnaktivität könnten den Trend begünstigen.

Paris. Wien. Die Demenzerkrankung Alzheimer gilt als eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Doch zumindest in den wohlhabenden Ländern scheint sich die Zahl der Neuerkrankungen Studien zufolge zu stabilisieren oder sogar zurückzugehen. Einer im April im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zufolge ist das Alzheimerrisiko in Großbritannien binnen zwei Jahrzehnten um 20 Prozent gesunken. Ähnliche Trends wurden in den USA, den Niederlanden, Schweden und Spanien beobachtet.

Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht ganz klar. Allgemein werden ein gesünderer Lebenswandel und rege Hirnaktivität als positive Elemente aufgeführt. Das kann durch eine anspruchsvolle Arbeit, Hobbys wie Lesen und Basteln oder durch Kreuzworträtsel und Sudoku geschehen. Wissenschaftler vermuten, dass ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch weniger Rauchen, weniger Übergewicht, mehr Sport und eine besser Ernährung auch ein geringeres Alzheimerrisiko bedeuten könnte. Eine Behandlung von Bluthochdruck und hohen Cholesterinwerten scheint das Demenzrisiko ebenfalls zu senken.

„Mit den richtigen Maßnahmen können klinische Symptome der Alzheimerdemenz verzögert bzw. erste Symptome wie Vergesslichkeit positiv beeinflusst werden“, das betont auch Peter Dal-Bianco, Alzheimerexperte der Universitätsklinik für Neurologie an der MedUni Wien. Eine aktuelle Studie aus Finnland und Schweden unterstreicht diesbezügliche Erkenntnisse der MedUni-Wien-Forscher. So wurde festgestellt, dass sich ein multimodales Alltagstraining positiv auf die kognitiven Fähigkeiten etwa zur Planung und Durchführung von Projekten auswirkt.

In der sogenannten FINGER-Studie wurden 1260 Personen zwischen 60 und 77 Jahren, die bereits vergesslich waren, in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe von 631 Personen erhielt über 24 Monate ein alltagsangepasstes regelmäßiges körperliches Training mit Spaziergängen und gleichzeitigem Dialog, ein Balance- und Gedächtnistraining am Computer, sozialen Aktivitäten, einer gesunden Diät sowie Überwachung des Herz-Kreislauf-Status’. Dal-Bianco: „Das Ergebnis war eine signifikante Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten in den Bereichen Verarbeitungsgeschwindigkeit und Exekutivfunktionen in der aktiven Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.“ Diese Gruppe umfasste 629 Personen.

Das unterstreichen auch Forschungsergebnisse an der MedUni Wien: „Bewegungsträge Menschen haben zum Beispiel ein um 80 Prozent erhöhtes Alzheimerrisiko im Vergleich mit körperlich aktiven Menschen. Weitere Faktoren, die den klinischen Beginn einer Demenz beschleunigen können, sind Übergewicht, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Rauchen“, fasst Dal-Bianco zusammen.

Langsame Veränderungen

Derzeit leiden weltweit mehr als 30 Millionen Menschen an Alzheimer. Laut Prognosen sollen es 2030 bereits 63 Millionen und 2050 etwa 114 Millionen sein. In Österreich sind derzeit 120.000 Menschen betroffen, 2050 sollen es ca. 280.000 sein.

Dal-Bianco: „Die neurodegenerativen Gewebsveränderungen im Gehirn entwickeln sich langsam und beginnen bereits etwa 30 Jahre vor den ersten klinischen Demenzsymptomen. Wenn wir also in einem frühen Stadium die richtigen Maßnahmen ergreifen und wissenschaftlich nachweisen können, dass sie auch wirken, könnten viele Menschen den klinischen Ausbruch der Erkrankung so lange hinauszögern, dass sie diesen vor ihrem altersbedingten Tod nicht erleben müssen.“ An der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien wird zur Behandlung von Alzheimerdemenz im frühen Stadium eine Hirnstimulation mit Ultraschallwellen (derzeit in einer laufenden klinischen Studie) eingesetzt – zusätzlich zur medikamentösen Therapie.

Diese Stoßwellen sollen laut Neurologen Energie auf das Hirngewebe übertragen. Damit soll die Neubildung von Strukturen im Nervensystem gefördert und in der Folge die Hirnleistung verbessert werden.

Bewegungsträge Menschen haben ein um 80 Prozent erhöhtes Risiko für Alzheimer­demenz.

Peter Dal-Bianco

Die Jahrestagung der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft findet von 14. bis 15. Oktober 2016 in Hall in Tirol statt. Infos & Programm:
www.alzheimer-gesellschaft.at.

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