Nur kein Stress im Wochenbett

Laut Hebamme Agnes Meyer wird immer noch zu wenig über das Wochenbett informiert.
schwarzach. (VN-mm) Sie hat Tausende von Frauen begleitet und ebenso vielen Kindern auf die Welt geholfen. Mittlerweile ist Agnes Meyer zwar im Ruhestand, aber immer noch mit Leib und Seele dem Beruf als Hebamme verbunden, jetzt jedoch vorwiegend in der Nachbetreuung von Mutter und Kind. Auf ihren reichen Erfahrungsschatz wollen aber auch werdende Eltern nicht verzichten, wie ein Vortrag mit der resoluten Tirolerin bei Russmedia in Schwarzach belegte.
Bis fast auf den letzten Platz besetzt war der Veranstaltungssaal, als Agnes Meyer über das Wochenbett und die damit einhergehenden vielfältigen Veränderungen referierte. Ihre eindringlichste Botschaft an die Frauen war: „Ihr habt neben dem Kind auch noch ein Leben.“ Und: „Nehmt Hilfe an, wenn ihr Hilfe braucht.“ An die Männer gerichtet: „Zeigt Geduld mit euren Frauen. Das Wochenbett dauert acht Wochen. Danach habt ihr die Suppe wieder am Tisch.“
Geburt aufarbeiten
Laut Agnes Meyer wird in der Geburtshilfe viel zu wenig über das Wochenbett informiert. „Die Geburt ist ein schöner Augenblick, doch danach beginnt für viele Mütter der Stress“, verdeutlichte sie. Dabei sollte das Wochenbett eigentlich eine Erholung sein und die Möglichkeit bieten, die Geburt aufzuarbeiten. Denn: „Eine Geburt bedeutet für die Frau eine Höchstleistung.“ Deshalb verdiene sie Ruhe und müsse die Gelegenheit haben, das Geschehen zu reflektieren. Meyer hielt auch mit Kritik an manchen Vorgehensweisen auf den Geburtshilfeabteilungen der Spitäler nicht hinter dem Berg. Vor allem der Druck, eine frischgebackene Mutter unbedingt zum Stillen anleiten zu wollen, findet bei ihr wenig Gegenliebe. „Viele Mütter trauen sich nicht zu sagen, dass es ihnen beim Stillen schlecht geht“, erzählte Agnes Meyer. Ihr mütterlicher Rat an die jungen, in freudiger Erwartung harrenden Frauen: „Gebt, was ihr zu geben imstande sind.“ In diesem Zusammenhang redete die Hebamme besonders dem Nachtschlaf das Wort. „Der ist sehr wichtig“, betonte sie.
Kein Anspruch auf Perfektion
Ein weiterer Aspekt, den es für Mütter nach der Geburt zu beherzigen gilt: Bloß nicht darauf fixiert sein, alles perfekt machen zu wollen. „Ein Kind braucht die Mutter, Liebe und Essen“, listete Agnes Meyer die Zutaten für eine gelingende Beziehung auf, in die sich ebenso die Väter einbringen sollen. „Durch die Geburt wächst die Liebe der Frau zu ihrem Kind. Da rückt der Partner zwangsläufig in die zweite Reihe“, erklärte Meyer, mahnte aber gleichzeitig Rücksichtnahme ein. „Nehmt nicht vor der Geburt Urlaub, sondern in der ersten Woche, wenn die Frau wieder zu Hause ist“, lautete eine Empfehlung. Eine andere erging an die Frauen: „Lasst die Kinder auch den Vätern. Sie können sie genauso gut versorgen“, appellierte die Hebamme an die gegenseitige Wertschätzung. „Nehmen Sie zu Hause das Kind in die Mitte und überlegen sie gemeinsam, wie Sie den Alltag gestalten wollen.“ In den ersten Tagen und Wochen des neuen Lebens sollten die Eltern, Freude hin, Stolz her, nicht zu viel Besuch einladen. Das beschert nur zusätzliche Unruhe. Erst, wenn sich alles eingespielt hat, ist Babyschauen angezeigt. Über dem Nachwuchs darf außerdem nicht vergessen werden, dass die Eltern auch noch ein Paar sind. „Nehmt euch wenigstens einen Abend in der Woche Zeit dafür“, legte Agnes Meyer den Zuhörern ans Herz. Den Frauen legte sie nahe, nicht auf die Rückbildungsgymnastik zu vergessen. Der praktische Grund: Ein straffes Becken schützt vor Inkontinenz. Kurz beleuchtete sie auch die Wochenbettdepression, zu der es infolge der Hormonumstellung kommen kann. In solchen Fällen brauche es die Unterstützung der Männer. Reicht die nicht, um die Frau aus dem Tal der Tränen zu holen, ist professionelle Hilfe nötig.
Stabiles Elternhaus
Abschließend stellte Agnes Meyer noch einmal fest, dass es nicht darum gehe, alles richtig zu machen. Viel wichtiger sei es, dem Kind ein stabiles Elternhaus zu bieten. „Wenn es der Frau gut geht, ist auch das Kind zufriedener.“ Vergleiche, was die Entwicklung des Nachwuchses angeht, gehören deshalb in die Mottenkiste, denn das kann unnötig Stress verursachen. Übrigens: Auch das Loslassen eines Kindes beginnt schon im Wochenbett.
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