Mit dem Leben im Hier und Jetzt bleiben

Auch leichte Formen einer Depression sollten behandelt werden.
Feldkirch Die Abendsonne taucht den Himmel über den Schweizer Bergen in ein letztes gleißendes Licht, ehe ganz allmählich die Dunkelheit in den schwindenden Tag sickert. Es ist ein Bild, das berührt und so gar nicht zum Thema passen will, das an diesem Dienstagabend fast 400 Besucher in den Panoramasaal des Landeskrankenhauses Feldkirch bringt. Doch die Zeit kommt, in der sich Depressionen wieder häufen. Andererseits sind sie schon so etwas wie eine Volkskrankheit geworden. Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung erleiden einmal im Leben eine depressive Episode. Manchmal fällt sie nur leicht aus, und oft verschwindet sie wieder von selbst. „Trotzdem sollten auch leichte Formen von Depression behandelt werden“, gemahnte Primar Jan Di Pauli, Leiter der Erwachsenenpsychiatrie im Landeskrankenhaus Rankweil, zur Aufmerksamkeit. Denn aus einer leichten kann schnell eine schwere depressive Störung resultieren.
Behandlungslücken
Jan Di Pauli widmet seinen Vortrag im Rahmen der Gesundheitsplattform MedKonkret vorrangig der sogenannten unipolaren Depression. Sie ist die häufigste Form und verläuft in Phasen. Sie kann nur einmal auftreten, aber auch mehrmals und immer wieder. Und sie kann sich als Symptom anderer psychischer Erkrankungen bemerkbar machen. Als Beispiele listete Di Pauli die Angst- und Anpassungsstörung auf, bei denen es sich um emotionale Reaktionen auf ein belastendes Ereignis handelt. „Symptomatik und Dauer sind jedoch nicht so ausgeprägt wie bei einer echten Depression“, erklärte der Experte. Da komme es oft zu Verwechslungen. Lücken gibt es auch in der Behandlung einer Depression. Das beginnt schon beim Erkennen.
Nur bei der Hälfte der Betroffenen wird laut Jan Di Pauli eine Depression festgestellt, lediglich 15 Prozent erhalten aufgrund dessen Antidepressiva. Die meisten Patienten würden zuerst beim Hausarzt vorstellig. Zur Ehrenrettung der Kollegen räumte Di Pauli aber ein, dass viele Betroffene andere Leiden vorschieben. Brustschmerzen etwa, deren Abklärung natürlich Vorrang habe. Wie es insgesamt notwendig sei, andere Erkrankungen auszuschließen. Die eigentliche Depression geht dabei oft unter und bleibt lange unbehandelt.
Krankheit des ganzen Körpers
Eine Depression betrifft den ganzen Körper. Die Stimmung ist gedrückt, es fehlen Freude und Antrieb, Konzentrations- und Merkfähigkeit leiden, es wird unmöglich, Entscheidungen zu treffen, man fühlt sich minderwertig, spielt mit Todesgedanken. „Das kann sich bis hin zum Wahn steigern“, verdeutlichte Jan Di Pauli. Der Wahn ist die schwerste Ausprägung einer Depression. Auch Schlafstörungen sind typisch für eine Depression, ebenso ein großes Schlafbedürfnis. Medikamente, wie Antibiotika, aber auch Alkohol und Drogen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Weiters gelten Stress und besondere Lebensereignisse als Auslösefaktoren. Bei Letzteren ganz oben rangiert der Tod des eigenen Kindes, gefolgt von Scheidung und Trennung. „Eine Depression hat selten nur eine Ursache“, fasste Primar Di Pauli die Problematik zusammen.
Sport und Musik
Die Behandlung besteht aus einer medikamentösen bzw. nichtmedikamentösen Therapie. Antidepressiva sind erste Wahl. Sie sollten sechs bis zwölf Monate eingenommen werden. Das Absetzen sollte langsam und mit Begleitung eines Facharztes erfolgen, weil speziell im ersten halben Jahr die Rückfallgefahr hoch ist. Der Psychiater riet dazu, Frühwarnzeichen wie gesteigerte Unruhe zu beachten, aber dennoch entspannt zu bleiben. „Betroffene müssen lernen, damit umzugehen.“ Medikamente allein reichen jedoch fast nie. Es braucht eine Änderung der Lebenssituation. Dabei kann die Psychotherapie helfen. Auch Sport, Musik-, Ergo- und Tanztherapie sind nützlich, um einer Depression zu kontern. Schutz bieten zudem eine intakte Familie, die Integration in eine Gemeinschaft sowie Offenheit und eine passende genetische Ausstattung. Die Empfehlung des Experten: „Denken Sie nicht in die Zukunft. Versuchen Sie, im Hier und Jetzt zu bleiben und eignen Sie sich einen realistischen Optimismus an.“ Entspannung, etwas Planung, Stress- und Gedankenkontrolle sind weitere Strategien, um eine Depression auf Abstand zu halten. Und: Saugen Sie noch das Licht eines jeden schönen Tages auf. VN-MM
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