Liebenswürdige Bakterien
Der gesunde menschliche Körper ist außen und innen von unzähligen Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt. Viele von uns betrachten diese Keime nur unter dem Blickwinkel von Krankheitserregern. Die Sache ist jedoch wesentlich komplexer: Viele Mikroorganismen spielen eine wichtige Rolle in unserem Stoffwechsel, unserer Immunantwort, in der Abwehr von Krankheitserregern und sogar in unserer psychischen Gesundheit. In seinem Blog schreibt der Direktor der Amerikanischen Nationalen Gesundheitsinstitute: „Wir sind nicht nur ein Organismus, wir sind ein ‚Superorganismus‘ aus menschlichen und mikrobiellen Zellen, und die Mikroben übertreffen uns zahlenmäßig.“
Schon lange ist uns der Begriff der Darmflora geläufig und dass sie für unsere Gesundheit und Verdauung von Bedeutung ist. Auch wissen wir, dass Antibiotika dieses Mikrobiom, wie wir es heute nennen, stören können. Vor zehn Jahren begann eine intensive Fahndung und Forschung bei gesunden Personen. Seither explodieren die wissenschaftlichen Ergebnisse geradezu. Die Untersuchungen sind überwiegend nicht mehr klassische Bakterienkulturen, der Nachweis erfolgte mittels DANN-Daten, die auch Hinweise auf die funktionelle Bedeutung, Veränderungen im Laufe der Zeit und Varianten zwischen den Menschen aufzeigen. Auch Einzeller wie Archaeen und Pilze wohnen in unseren gesunden Körpern, und auch einzelne Viren findet man bei absolut gesunden Menschen.
Diese Mikroben zeigen funktionelle Anpassungen, die für ihre Fähigkeit, in Harmonie mit uns Menschen zu leben, wichtig sind und sogar ihren menschlichen Gastgebern Vorteile bieten. Beispiele sind die Fähigkeit, das für die Gesundheit sehr wichtige Vitamin B12 zu synthetisieren und schädliche Inhaltsstoffe in unserer Nahrung zu entgiften.
Viele Studien in unterschiedlichen Kontinenten haben einen gravierenden Zusammenhang von Umweltfaktoren und Gesundheit nachgewiesen. Unter anderem dürften Mikroben auch eine wesentliche Rolle in der Entwicklung und Ausreifung unseres Immunsystems schon in der Schwangerschaft haben. Kinder, deren Schwangerschaft auf einem Bauernhof ausgetragen wurde und die ihre Frühkindheit auf einem Bauernhof verbracht haben, zeigen wesentlich weniger allergische Reaktionen als städtische Kinder. Die Hypothese ist, dass im städtischen Bereich, der aus Sicht der menschlichen Entwicklungsgeschichte ein völlig unnatürliches „steriles“ Ambiente ist, zu einer fehlerhaften Ausdifferenzierung des Immunsystems schon beim Ungeborenen führt. Damit glaubt man, das häufigere Auftreten von Atopien (zum Beispiel: Neurodermitis, Heuschnupfen, Bronchialasthma, allergische Darmentzündungen, allergische Bindehautentzündungen) in der heutigen Zeit erklären zu können.
Die Forschungen und daraus resultierende praktische Anwendungen stehen noch ziemlich am Anfang. Es sind aber bald Ergebnisse zu erwarten, die unsere Gesundheit unterstützen und helfen, Krankheiten zu vermeiden.
„Bakterien haben heute nach Überwindung furchtbarer Seuchen mehr Vorteile als Nachteile.“
Hans Concin
hans.concin@vn.at
Prim. a. D. Dr. Hans Concin, Präsident aks Verein
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