Der Klimawandel drückt auf die Gesundheit

Forscher und Organisationen orten bereits harte Auswirkungen.
London Hitzewellen, Mangelernährung und Infektionen: Der globale Klimawandel hat schon heute gravierende Folgen für die Gesundheit der Weltbevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kommission für Gesundheit und Klimaschutz des Fachblatts „Lancet“ aus Klimaforschern, Medizinern und Ökonomen. Der Klimaschutz müsse deutlich intensiviert werden, so ihr Plädoyer, um einen weltweiten medizinischen Notfall zu vermeiden. Unter dem Namen „The Lancet Countdown“ erstellte die Kommission aus 24 Partnern, darunter die Weltgesundheitsorganisation WHO, Universitäten und die Weltbank, bereits diverse Berichte zu den Folgen des Klimawandels. Früher standen etwa die Langzeitfolgen im Fokus, nun betrachtet man schon jetzt die spürbaren Auswirkungen – mit beunruhigenden Ergebnissen.
Hitzewellen mit Folgen
So seien von 2000 bis 2016 etwa 125 Millionen Menschen über 65 Jahre weltweit Hitzewellen ausgesetzt gewesen – mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen, etwa für das Herz-Kreislauf-System. Bis 2050 könnte die Zahl der Menschen, die direkt an den Folgen von Hitzewellen leiden, eine Milliarde erreichen. Steigende Temperaturen hätten zudem dazu geführt, dass die Arbeitsproduktivität in ländlichen Gebieten zwischen 2000 und 2016 bei körperlich tätigen Menschen um 5,3 Prozent abgenommen habe. Besonders in wärmeren Regionen sei es an immer mehr Tagen zu heiß, um draußen zu arbeiten. „Das ist gerade in landwirtschaftlich geprägten Gegenden von Bedeutung“, sagt Anthony Costello, einer der WHO-Direktoren. „Die Stadien für die Fußball-WM in Katar werden nachts unter Flutlicht gebaut, das geht in der Landwirtschaft in Afrika nicht.“ Für genaue Aussagen über Todesfälle als Folge steigender Temperaturen seien aber weitere Studien nötig.
Gleichzeitig nehme die Ausbreitung einiger Infektionskrankheiten wie Dengue zu, da die krankheitsübertragenden Mücken in immer mehr Gebieten vorkämen. Seit 1990 verdopple sich jede Dekade die Zahl der Dengue-Fälle – das tropische Fieber sei damit die sich weltweit am schnellsten verbreitende Krankheit. Zudem warnen die Autoren vor den Folgen des Klimawandels auf den weltweiten Hunger. Die Zahl der Hungernden ist demnach weltweit gesehen seit 1990 zunächst deutlich zurückgegangen, seit wenigen Jahren kehrt sich der Trend aber um. In 30 besonders armen und vom Klimawandel betroffenen Ländern Asiens und Afrikas hat sich die Zahl der unterernährten Menschen laut „Lancet“ seit 1990 sogar von 398 Millionen auf 422 Millionen erhöht.
Sechs Prozent weniger Ertrag
Für jedes Grad globalen Temperaturanstiegs würden sich die Weizenerträge zudem um sechs Prozent verringern, bei Reis betrage der Schwund gar zehn Prozent. Außerdem bedrohten wärmere Ozeane die Fischbestände. 1,4 Milliarden Menschen seien so in Gefahr der Unterversorgung mit zentralen Mikronährstoffen wie Zink und Omega-3-Fettsäuren. Ein weiteres großes Problem stelle die zunehmende Luftverschmutzung dar: 2015 seien in 21 asiatischen Ländern 803.000 vorzeitige und vor allem vermeidbare Todesfälle darauf zurückzuführen. Zudem würden in 87 Prozent der Städte weltweit die Feinstaub-Grenzwerte der WHO regelmäßig überschritten. „Wir reden also nicht mehr über Tausende oder Millionen betroffene Menschen, sondern über Milliarden“, unterstreicht Nick Watts, Geschäftsführer von „The Lancet Countdown“.
„Wir reden nicht mehr über Millionen betroffene Menschen, sondern über Milliarden.“