Zwei Schulklassen voller Kinder mit Rheuma

Auch in Vorarlberg ist diese Autoimmunerkrankung ein bedeutender Faktor.
Bregenz Der erst unlängst neu geschaffene Kompetenzverbund für Kinder- und Jugendmedizin macht in Sachen medizinischer Fortbildung bereits kräftig mobil. Die nach der Neuropädiatrie zweite Veranstaltung widmet sich dem kindlichen Rheuma. In Vorarlberg gibt es etwa 65 Betroffene. „Das entspricht immerhin zwei Schulklassen“, verdeutlicht Primar Christian Huemer, Chefarzt am Landeskrankenhaus Bregenz. Dort gibt es am Mittwoch, 8. November 2017, auch das Neueste aus der Pädiatrischen Rheumatologie und Immunologie zu hören. Rund 40 Teilnehmer werden erwartet.
Auslöser schwer festzumachen
Die juvenile Arthritis, so der medizinische Fachbegriff, ist eine Form von Rheuma, die bei Kindern und Jugendlichen vor dem 16. Lebensjahr auftritt. Bei dieser Autoimmunerkrankung kommt es zu chronischen Entzündungen der Gelenke. Die Folge sind Schmerzen, Schwellungen oder Bewegungseinschränkungen. Die Ursachen der Entstehung sind immer noch nicht geklärt. Risikofaktoren können bislang nur vermutet werden. Dazu zählen Umweltbelastungen, eine genetische Veranlagung, Bakterien- oder Viruserkrankungen und die Ernährung. „Es ist schwierig, die Erkrankung an einem Auslöser festzumachen“, sagt Christian Huemer. Deshalb liegt noch im Dunkeln, warum das Immunsystem gegen den eigenen Körper arbeitet.
Gute Prognose
Die gute Botschaft des Arztes: „Kindliches Rheuma stellt nicht den Beginn einer lebenslangen Erkrankung dar.“ Sie lässt sich in durchschnittlich zwei Jahren unter Kontrolle bringen. Neue Medikamente verhindern die Entstehung lebenslanger Schäden an den Gelenken und ermöglichen dem Kind eine normale Entwicklung. „Früher war die Prognose deutlich schlechter. Nur bei 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen schlug die Therapie an. Heute sind es 90 Prozent“, kann der Kinderarzt berichten. Zum Einsatz kommen mit den sogenannten Biologicals hochpotente Arzneimittel, deren Gabe gut überwacht werden muss. Dies deshalb, weil Langzeiterfahrungen in der Anwendung bei Kindern noch fehlen. Um hier weiterzukommen, wird jedes betroffene Kind anonym an ein Register in Berlin gemeldet. Dort werden die Fälle gesammelt und wissenschaftlich analysiert. Die Biologicals für Kinder wurden 2001 in Österreich zugelassen. Inzwischen stehen fünf Präparate zur Verfügung. Obwohl sehr teuer, gibt es laut Christian Huemer keine Probleme bei der Abgeltung durch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse.
Schwierige Früherkennung
Zu Beginn der Erkrankung sind die Kinder merkbar in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, auch weinerlich und müde. „Zu den Hauptsymptomen einer juvenilen Arthritis gehören Schmerzen, Rötungen, Schwellungen, Überwärmung, Ergüsse, Bewegungseinschränkungen und Morgensteifigkeit“, erklärt Huemer. Da jedoch speziell kleine Kinder oft nicht sagen können, was und wo es ihnen wehtut, ist eine Diagnose zuweilen schwierig. „Zeigt das Kind Schon- oder Fehlhaltungen bei Bewegung, sollte der Kinderarzt konsultiert werden“, rät Primar Huemer. Denn je früher eine Therapie einsetzt, desto geringer fallen die Schäden an den Gelenken aus. Neben den medikamentösen gehören noch Physio- und Ergotherapie sowie Sport zu den Behandlungsoptionen. Auch der Betroffene selbst kann eingreifen. „Entzündete Gelenke kühlen, nicht ruhigstellen. Die Ernährung fischreich gestalten, auf rotes Fleisch eher verzichten. Vitamin-C-haltiges Obst und Gemüse wie Paprika und Johannisbeeren unterstützen das Immunsystem und fördern die Neubildung von Knorpelgewebe. Sport hilft, in Bewegung zu bleiben und die Gelenke zu entlasten, der Besuch von Selbsthilfegruppen fördert den Austausch mit anderen betroffenen Eltern“, listet Primar Christian Huemer die Möglichkeiten auf. VN-MM
„Kindliches Rheuma stellt nicht den Beginn einer lebenslangen Erkrankung dar.“

Stichwort Immunsystem und Gelenke
Das Immunsystem ermöglicht die Abwehr von körperfremden Substanzen, wie Bakterien oder Viren. Es hat einen Schutzmechanismus, der einen Angriff auf die eigenen Körperzellen verhindert. Bei zahlreichen Erkrankungen, zu denen auch entzündliche Rheumaerkrankungen gehören, funktioniert dieser Schutzmechanismus allerdings nicht richtig. Es kommt zu einer Immunreaktion, bei der sich das Immunsystem gegen den Körper wendet und im Falle der juvenilen Arthritis eine Entzündung der Gelenkschleimhaut hervorruft. Durch die Entzündung kommt es langfristig zu einer Schädigung der Gelenke, was wiederum eine Einschränkung der Beweglichkeit zur Folge hat.