Demenz ist nicht nur Schicksal

Gesund / 07.12.2017 • 09:14 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Vergesslichkeit ist auch eine Alterserscheinung. Diese natürliche Entwicklung von Demenz zu unterscheiden ist wichtig. 
Vergesslichkeit ist auch eine Alterserscheinung. Diese natürliche Entwicklung von Demenz zu unterscheiden ist wichtig. 

Viele Menschen fürchten, im Alter dement zu werden.

München Trotz der höheren Lebenserwartung in der westlichen Welt verzeichnen Ärzte keine Zunahme von Demenzerkrankungen. Es gebe weniger neue Fälle als erwartet, sagte Robert Perneczky, Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie an der Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Das Demenzrisiko geht in unseren europäischen Ländern zurück.“ Das hätten übereinstimmend Studien in Schweden, England sowie in den USA gezeigt. Hauptgründe für die positive Entwicklung seien die bessere Lebensführung mit Bewegung und gesunder Ernährung sowie ein insgesamt besserer Bildungsstand, sagte Perneczky.

Folgen länger ausgleichen

In Afrika und Asien sind laut Perneczky anders als in der westlichen Welt Demenzerkrankungen auf dem Vormarsch. Aber oft entwickelten sich die durch die Krankheit bedingten Einschränkungen verzögert. Es gehe nun darum, diese Plastizität des Gehirns zu nutzen, um die Folgen der Erkrankung länger ausgleichen zu können. Bildung und geistige Beschäftigung seien ein wesentlicher Faktor. Intelligenz allein schütze allerdings nicht. „Viele brillante Menschen bekommen Alzheimer.“

Zu rund 30 Prozent könne das Demenzrisiko durch gesunde Lebensweise reduziert werden, sagte Perneczky. Medikamente könnten bisher nur den Verlauf etwas verlangsamen. Hoffnungen auf eine Art Impfung, die eine Bildung von Eiweißablagerungen im Hirn verhindern sollte, hätten sich bisher nicht erfüllt. Die Eiweißplaques, die als Ursache der Zerstörung von Hirnsubstanz gelten, seien zwar nach der Immunisierung teils nicht mehr nachweisbar gewesen. Die Demenz sei aber dennoch vorangeschritten.

Multifaktorielle Ursachen

Die Ursachen für Demenz seien multifaktoriell. Es gebe eine erbliche Komponente. Zudem steigere alles, was Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedinge, auch das Demenzrisiko. Dazu zähle Rauchen, zu viel Alkohol, zu wenig Bewegung, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes. Denn: „Alles, was das Gefäßsystem schädigt, schädigt auch die Gefäße im Gehirn und erhöht das Demenzrisiko.“ Die gute Nachricht sei: „Wir sind der Demenz nicht hilflos ausgeliefert. Jeder hat seine Lebensgewohnheiten im Griff und kann dadurch die Gesundheit des Gehirns positiv beeinflussen.“

Erste Symptome abklären

Neben den Eiweißablagerungen im Hirn können Krankheiten sekundär zu einer Demenz führen, etwa eine schwere Schilddrüsenunterfunktion oder Depression. Beides sei heilbar. Deshalb sei es wichtig, bei ersten Symptomen zum Arzt zu gehen. „Meistens beginnt es mit einer Vergesslichkeit, die jeder Ältere hat. Auffällig wird es, wenn es einen negativen Einfluss auf die Alltagsbewältigung hat.“

Grundsätzlich steigt das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, mit dem Alter. Liege es bei 65-Jährigen noch bei einem Prozent, steige es im Alter von 70 Jahren bereits auf fünf und im Alter von 80 Jahren schon auf 15 Prozent. Bei den 85-Jährigen sind es bereits 25 Prozent, bei den 90-Jährigen bis zu 50 Prozent. Das bedeutet laut Perneczky aber auch, dass die Hälfte der 90-Jährigen nicht an Demenz leide.

„Das Demenzrisiko geht in unseren europäischen Ländern zurück.“