Auszug ins Leben
Eben stand ich kurz vor einer geschlossenen Zimmertüre. Es war jene, hinter der meine Tochter 26 Jahre lang ihr Refugium hatte. Jetzt ist sie weg. Aus- und eingezogen in das eigene Leben. Wurde auch Zeit, werden Sie jetzt vielleicht denken. Und ich widerspreche Ihnen da nicht. Nur: In der Theorie gestaltet sich das mit dem Loslassen ja relativ einfach. Endlich weniger Haushalt und mehr Zeit für sich. Endlich nicht mehr Jacken und Schuhe wegräumen müssen, die der Einfachheit halber am nächstbesten Platz abgelegt wurden. Endlich, endlich, endlich . . .
In der Praxis nimmt sich die Sache dann jedoch ein bisschen anders, ein bisschen zwiespältiger aus. Zuerst ist man geradezu euphorisch damit beschäftigt, dem nun flügge werdenden Spross aus der Türe zu helfen, packt mit an, wo es nur geht, um dem Mädel ein behagliches neues Zuhause zu schaffen. Beschäftigung lenkt bekanntlich ab. Dass dem tatsächlich ein wenig so ist, gesteht man sich allerdings erst ein, wenn die Bude in echt leer ist. Anfangs habe ich deshalb öfter einmal durch die nur einen Spaltbreit geöffnete Türe gelinst und mich, ich gebe es zu, mit einer gewissen Wehmut in Erinnerungen ergangen. Aber ich meine, das darf sein, solange man sich nicht endlos darin verliert.
Und letztlich hat so ein Auszug auch etwas Gutes. Die Beziehung bekommt eine gänzlich neue Qualität, eine, die wirklich auf Augenhöhe abläuft. Und das ist etwas sehr, sehr Schönes. Sie müssen es nur sehen.
Marlies Mohr
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