Haut aus der Balance

Neue Hoffnung für Neurodermitis-Geplagte durch neue Therapien.
Wien Neurodermitis ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die von quälendem Juckreiz und schmerzhaften Entzündungen geprägt ist. Generell gilt: So vielfältig, wie die Auslöser sein können, so individuell sollte die Behandlung sein. Und hier zeigen neu entwickelte Therapien gute Fortschritte und geben Betroffenen neue Hoffnung.
Die Neurodermitis stand auch im Mittelpunkt der heute zu Ende gehenden Welt-Allergie-Woche. „In der Welt-Allergie-Woche wollten wir ein größeres Bewusstsein für die atopische Dermatitis, eine der häufigsten chronischen Hauterkrankungen, schaffen und über neue Möglichkeiten in der Behandlung informieren. Damit wollen wir Betroffenen Zuversicht geben“, so Univ.-Prof. Norbert Reider, Leiter der Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) sowie der Allergieambulanz an der Innsbrucker Hautklinik. Denn die schubweise verlaufende Hautentzündung gilt als nicht heilbar. „Bis zum frühen Erwachsenenalter legen sich bei etwa 60 Prozent der erkrankten Kinder zwar die Symptome. Meist bleibt jedoch eine trockenere Haut zurück, die häufig auf äußere Reize verstärkt reagiert“, informiert der Dermatologe. Mindestens 30 Prozent der Betroffenen leiden auch im Erwachsenenalter unter Hautekzemen. In vielen Fällen ist Neurodermitis das Sprungbrett zu einer „Karriere“, in der eine allergische Erkrankung der nächsten folgt.
Meist mit in die Wiege gelegt
Die Ursachen der Erkrankung sind vielfältig: Eine gestörte Hautbarriere, entzündliche und immunologische Faktoren sowie Allergien führen zum erstmaligen Auftreten von Rötungen, Schwellungen und trockener, schuppender Haut und lösen kaum erträgliche Juckreiz-Attacken aus. Die Haut verliert ihre natürliche Schutzfunktion und Keime können leichter in die Haut eindringen und verursachen schmerzhafte Entzündungen. Auch eine genetische Vorbelastung bringt den Ball ins Rollen: Leiden beide Eltern unter atopischer Dermatitis, Heuschnupfen oder Asthma, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 60 bis 80 Prozent, dass auch die Kinder erkranken. Meist sind es harmlose Umwelteinflüsse, die zur Überreaktion des Immunsystems führen und einen Schub auslösen. „Auch psychische Belastungen spielen eine bedeutende Rolle als Auslöser sowie als Verstärker der Symptome“, so Reider.
So vielfältig wie die Ursachen sind, so individuell sollte die Behandlung sein. Das Behandlungsziel lautet: die spezifischen Auslöser erkennen und vermeiden, eine individuelle Therapie finden, die Symptome zum Verschwinden bringen oder zumindest lindern und die symptomfreien Phasen stabilisieren. „Die Behandlung setzt sich idealerweise aus einer Vielzahl von Bausteinen zusammen, die genau auf den Patienten abgestimmt werden.“ Behandelt wird nach einem Stufenschema, das die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt. „Den Grundstein der Therapie bildet die Vermeidung bzw. Reduktion der Krankheitsauslöser – bei allergischen Ursachen die Vermeidung von Allergen wie etwa Pollen“, betont Reider. „Als Basistherapie gilt die kontinuierliche und regelmäßige Hautpflege mit rückfettenden Produkten, um die gestörte Barrierefunktion der Haut wiederherzustellen.“ Um Ekzemschübe schnell unter Kontrolle zu bringen oder neue Schübe zu verhindern, werden wirkstoffhaltige Cremen und Kortison-Salben angewendet. Zur Behandlung des quälenden Juckreizes kommen Antihistaminika zum Einsatz. Auch speziell beschichtete oder antimikrobiell wirkende Unterbekleidung haben sich in der Behandlung von Neurodermitis bewährt, da sie die Besiedelung von entzündungsauslösende Keimen deutlich reduzieren bzw. verhindern können.
Hochgradige Verbesserung
Im Herbst 2017 wurde ein Biologikum zugelassen, das mit Hilfe von Injektionen, die sich der Patient selbst alle zwei Wochen verabreicht, in vielen Fällen eine dauerhafte und hochgradige Verbesserung der Erkrankung zur Folge hat. In den nächsten Jahren werden auch sogenannte small molecules auf den Markt kommen, die als Tabletten verabreicht werden können. „Ein großer Vorteil dieser neuen Medikamente wird sein, dass sie sehr zielgenau die Neurodermitis behandeln und damit, so hoffen wir, einerseits viel besser wirksam, andererseits auch sehr gut verträglich sein werden“, sagt Reider.
„Den Grundstein der Therapie bildet die Reduktion der Krankheitsauslöser.“