Wenn Allergene flügge werden – HNO-Facharzt Wolfgang Feuerstein klärt auf

Allergien plagen ein Fünftel der Österreicher; aktuell belasten Pollen aller Art.
Dornbirn Das große Durchatmen vieler Allergiker findet dieser Tage ein jähes Ende: Mit Beginn der wärmeren Tage und Nächte erwacht die Pflanzen- und Tierwelt aus ihrem Winterschlaf. Schwere Zeiten brechen an, jedenfalls für all jene, die auf Allergene wie Blütenstaub, Pollen, Insektenstiche und mehr überreagieren.
Fit&Gesund sprach mit HNO-Facharzt Wolfgang Feuerstein (Praxis in Dornbirn sowie Fachgruppenobmann der HNO-Ärzte in Vorarlberg) über allergische Fakten.
“Bei der Entstehung von Allergien spielt Genetik eine große Rolle. Zudem wird über übertriebene Hygienemaßnahmen sowie aggressive Allergene durch Luftschadstoffe diskutiert.”
Wolfgang Feuerstein, HNO-Facharzt
Zur Entstehung von Allergien: Kann es jeden treffen? Kann man von einem typischen Verlauf sprechen? Beobachten Sie einen Zuwachs an Allergien?
Grundsätzlich können allergische Erkrankungen jeden treffen. Beschwerden beginnen oft bereits im Kleinkindalter als atopische Dermatitis, verschwinden dann wieder, treten erneut im Kindesalter oft als Heuschnupfen in Erscheinung. Im Alter von zehn Jahren sind bis zu zehn Prozent, bei den 14-Jährigen sind bis zu 20 Prozent der Kinder von Heuschnupfen betroffen. In weiterer Folge können auch die tieferen Atemwege mitbetroffen sein, und es entwickelt sich ein Asthma bronchiale. Gerade bei Birkenpollenallergikern kann es in bis zu 60 Prozent auch zu Kreuzallergien auf Lebensmittel kommen. Je nach Dauer der Beschwerden ist die Lebensqualität der Betroffenen oft massiv beeinträchtigt. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen intermittierenden, das heißt unterbrochenen und persistierenden allergischen Erkrankungen. Eine Zunahme von allergischen Erkrankungen ist überwiegend in den Industriestaaten zu sehen, in Entwicklungsländern deutlich weniger.
Spielen in Bezug auf Allergien Umwelteinflüsse wie Luftschadstoffe, Zusätze in Lebensmitteln etc. eine Rolle?
Bei der Entstehung spielt Genetik eine große Rolle. Zudem wird über übertriebene Hygienemaßnahmen sowie aggressive Allergene durch Luftschadstoffe diskutiert. Weitere prädisponierende Faktoren scheinen Tabakrauch, feuchtes Wohnklima und dadurch bedingte Schimmelpilzbildung sowie Kfz-Emissionen zu sein. Lebensmittelzusätze führen eher zu Unverträglichkeitsreaktionen bzw. Reizdarmsyndromen. Nur selten treten Lebensmittelzusatzstoffe als Auslöser echter Allergien in Erscheinung.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, einen Facharzt aufzusuchen?
Grundsätzlich sollte bei Beschwerden der allergologisch versierte Facharzt aufgesucht werden. Die drei Säulen in der Allergiediagnostik sind nach wie vor Anamnese, Hauttests sowie Labortests. In Einzelfällen kann auch eine molekulare Allergiediagnostik oder Komponentendiagnostik sinnvoll sein. Diese ermöglicht eine genauere Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenallergenen, was gerade bei Kreuzallergien hilfreich ist. Bei Beteiligung der tieferen Atemwege ist auch eine Lungenfunktionsdiagnostik indiziert.
Wie gestalten sich die Therapiemöglichkeiten?
Grundsätzlich unterscheiden wir einen rein symptomatischen von einem kurativen Therapieansatz. Mittels Antihistaminika, cortisonhaltigen Nasensprays, Leukotrienantagonisten usw. lassen sich allergische Symptome sehr gut unterdrücken. Dies ändert jedoch nichts an der Allergie selbst. Auch der sogenannte Etagenwechsel, das heißt ein Übergreifen der allergischen Entzündung auf die tieferen Atemwege, kann dadurch nicht verhindert werden. Die spezifische Immuntherapie stellt einen kurativen Therapieansatz dar. Dabei wird mittels subkutanen Spritzen, Tropfen oder auch Tabletten versucht, das Immunsystem dahingehend zu beeinflussen, dass keine überschießenden Reaktionen mehr stattfinden. Grundsätzlich gehen wir heute von einer Wirksamkeit bei 45 bis 60 Prozent der Betroffenen aus, bei Insektengiften liegt die Erfolgsquote deutlich höher. Wirksamkeit bedeutet jedoch nicht Heilung. Lediglich bei zehn Prozent der Betroffenen kommt es zu einer dauerhaften Besserung. Auch was die Qualität der Präparate betrifft, hat eine Marktbereinigung stattgefunden. Die deutsche Therapieallergeneverordnung hat dazu geführt, dass viele Präparate, die ihre Wirksamkeit studienmäßig nicht ausreichend belegen konnten, vom Markt verschwunden sind. Bei Therapieversagen der SIT stellt die Depotgabe von Cortison eine wirksame Alternative dar. Es ist jedoch darauf zu achten, die Dosis so gering wie möglich zu halten und die Injektionsstelle zu wechseln, um lokalen Nebenwirkungen des Cortisons vorzubeugen.
Wovon hängt die Chance auf Heilung ab?
Ein Ansprechen auf die Therapie, ob jetzt nur Symptomlinderung oder gar Heilung, hängt im Wesentlichen von einer exakten Diagnosestellung und der Patientencompliance ab. Entscheidend ist sicherlich auch, ob der Patient auf Major- oder Minorallergene sensibilisiert ist. Das kann mittels der komponentenbasierten Diagnostik genauer festgestellt werden. Es gibt jedoch sicher auch noch eine Reihe von weiteren Faktoren, die wir derzeit aber noch nicht kennen.
Wissenswertes zu allergien
Die Ursache für Allergien ist die Neigung zur Überreaktion gegenüber bestimmten Substanzen (z. B. Pollen, Hausstaub, Lebensmittel), die in der Umwelt auftreten. Beim allerersten Kontakt lernt das Immunsystem den Fremdling kennen, der Allergiker wird gegenüber diesem sensibilisiert und beginnt zu reagieren. Beim erneuten Kontakt mit dem Allergen entwickelt das Immunsystem ein verändertes Reaktionsmuster, Botenstoffe wie Histamin werden ausgeschüttet. Diese rufen dann die Symptome einer Allergie hervor. Nach der Anamnese durch einen Facharzt erfolgt die Therapie: entweder mit Antihistaminen, Anitallergika oder Kortison (akut) oder der Hyposensibilisierung (vorsorglich mit subkutaner oder sublingualer Immuntherapie); auch alternative Therapie wie Bioresonanz oder Akkupunktur sind hier zu erwähnen.
TIPPS für heuschnupfengeplagte
Fenster zu Nur kurz lüften, auf dem Land abends, in der Stadt morgens! Schlafen bei geschlossenem Fenster!
Kleider & Haare Wäsche nicht im Freien aufhängen, Haare am Abend waschen, Tageskleidung nicht im Schlafzimmer ausziehen!
Auto Lüftungsanlage mit Partikelfilter ausstatten!
Augenschutz Brille oder Sonnenbrille hält Pollen zumindest von einem Teil der Augen fern!
Regenspaziergang Regen verringert die Pollenaktivität!
Pollenflüge auszugsweise
Erle, Hasel Februar bis April
Pappel März bis April
Esche, Birke März bis Mai
Hainbuche, Buche April bis Mai
Eiche April bis Juni
Kiefer April bis Juli
Gräser April bis September
Roggen Mai bis Juli
Spitzwegerich, Brennnessel Mai bis September
Beifuß Juli bis September
Traubenkraut August bis September
Weitere Infos unter www.pollenwarndienst.at, inklusive Polleninformation-WhatsApp-Service
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