Künstliches Licht produziert Jetlag

Biorhythmus von Morgenmenschen leidet bei Nachtarbeit stärker.
Wien Künstliches Licht stört den biologischen Rhythmus von in der Nacht arbeitenden Menschen und beeinflusst den Melatoninspiegel. Damit steigt die Gefahr chronischer Erkrankungen. Eine Forschergruppe an der Medizinischen Universität Wien hat nun herausgefunden, dass das Risiko vom individuellen Chronotyp abhängt: Nachtmenschen belastet Nachtarbeit weit weniger als Morgenmenschen.
Gestörte Produktion
Schichtarbeit gilt seit Langem als ungesund. Der natürliche Rhythmuswechsel unzähliger Körperfunktionen wird gestört, wodurch die Wahrscheinlichkeit, etwa an Diabetes oder Krebs zu erkranken, höher ist als bei regelmäßig untertags arbeitenden Menschen, berichtete die MedUni. Das liege möglicherweise auch an einer gestörten Produktion des Schlafhormons Melatonin, weil bei künstlichem Licht nicht genügend davon produziert wird. Künstliches Licht verursache bei in der Nacht Arbeitenden tatsächlich eine Art Jetlag, weil der Tag-Nacht-Rhythmus gestört ist, stellten die Forscher fest. Der Chronotyp beeinflusse das Ausmaß dieser Irritation. Die Ergebnisse der Longitudinal-Studie „Nurses‘ Health-Study II“ von Forschern um Eva Schernhammer von der Abteilung für Epidemiologie des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien wurden im Fachjournal „Cancer, Epidemiology, Biomarkers and Prevention“ publiziert.
Melatonin unregelmäßig
Schernhammer wertete spezifisches Datenmaterial von 130 Teilnehmerinnen der seit 1989 laufenden, amerikanischen Studie aus. Die Probandinnen waren sieben Tage lang mit einem Gerät ausgestattet, das den Lichteinfall an der Netzhaut misst. Zusätzlich wurden Urinproben auf den Melatonin-Gehalt untersucht sowie Schlafqualität und Chronotyp ermittelt.
Es zeigte sich, dass in der Nacht arbeitende Menschen eine deutlich höhere Lichtdosis erhalten als tagsüber und dass ihr Melatoninspiegel unregelmäßig ist. Für das Ausmaß der Belastung wurde der Chronotyp als maßgeblicher Faktor erkannt. Abendmenschen haben zwar unter normalen Tag-Nacht-Bedingungen einen etwas weniger ausgeprägten Melatoninrhythmus als Morgenmenschen. Deren Rhythmus – und somit das Gesundheitsrisiko – ist jedoch unter Nachtarbeitsbedingungen deutlich stärker betroffen als bei den Abendmenschen.
Zuvor hatte Schernhammer aufgezeigt, dass Morgenmenschen mit zunehmenden Jahren der Nachtarbeit ein steigendes Risiko einer Diabetes-Erkrankung haben. „Mit diesen neuen Daten leisten wir einen Beitrag in Richtung ‚Precision Prevention‘.
So wie den Chronotyp gilt es nun weitere individuelle Faktoren zu identifizieren, um die gesundheitlichen Auswirkungen einer gestörten inneren Uhr, die in unserer 24/7-Gesellschaft immer häufiger werden, gezielt abzuschwächen“, sagte die Medizinerin.