Seelenleben aus der Balance

Jede depressive Episode sollte beachtet und behandelt werden.
Feldkirch Es sind meist besondere Lebensereignisse, die eine Depression auslösen. Ganz oben auf der Liste steht der Tod eines Kindes, aber auch eine Trennung oder Scheidung kann das Seelenleben aus der Balance bringen. Auf die eine Tragik folgt dann meist die nächste. Lediglich bei 15 Prozent der Betroffenen werden die Symptome erkannt, und gar nur zehn Prozent erhalten eine passende Therapie. Entsprechend hoch ist das Suizidrisiko bei depressiven Menschen. „Jede Episode ist es wert, beachtet und behandelt zu werden“, richtete OÄ Bettina Grager auch deshalb einen dringlichen Appell an die MedKonkret-Besucher im Panoramasaal des LKH Feldkirch, der einmal mehr bis auf den letzten Platz besetzt war. Gemeinsam mit Primar Jan Di Pauli, Leiter der Erwachsenenpsychiatrie im LKH Rankweil, erläuterte Grager, worauf es bei der Behandlung von Stress, Burnout und Depressionen ankommt, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
Hohe Rückfallgefahr
Etwa sieben bis 17 Prozent der Bevölkerung zeigen einmal im Leben depressive Symptome, doch sie bleiben häufig unerkannt. „Beim Großteil der Betroffenen klingt die Störung von selbst wieder ab“, konnte Bettina Grager berichten. Bleibt immer noch ein Drittel, bei dem das nicht der Fall ist und Folgen hat. Zwischen sechs und zwölf Monate dauert es, bis sich das Gemüt wieder einigermaßen stabilisiert. Die Gefahr, nach einer Episode neuerlich an einer Depression zu erkranken, steigt allerdings auf 50 bis 80 Prozent. „Um Rückfälle zu vermeiden, darf eine Therapie keinesfalls zu früh beendet werden“, betonte Grager. Als Kardinalsymptome für eine aufkeimende Depression nannte sie gedrückte Stimmung und Traurigkeit. Ebenso können Freudlosigkeit, Grübelneigung, Probleme bei der Merkfähigkeit und sozialer Rückzug ein Indiz sein. Auch psychomotorische Anzeichen wie Antriebslosigkeit, rastlose Unruhe, Schlafstörungen, blasse Haut, Mundtrockenheit und Schmerzsymptome sollten beachtet werden. Gleiches gilt für das soziale Umfeld, das genauso Auslöser für eine Depression sein kann. Chronischer Stress gilt ebenfalls als Trigger für eine Depression, besonders, wenn es sich um schlechten Stress handelt. Der führt sogar zum Untergang von Nervenzellen im Gehirn. Die gute Botschaft: Sie erholen sich wieder.
Nutzen-Risiko-Abwägung
Burnout ist zwar keine eigene Diagnose, geht aber auch mit Depressionen einher. „Hier handelt es sich um eine Erschöpfungsdepression“, sagte Jan Di Pauli und räumte mit der gängigen Meinung auf, nur Manager würden darunter leiden. „Es sind vor allem Alleinerziehende, berufstätigte Mütter mit pflegebedürftigen Angehörigen und sehr gewissenhafte Leute.“ Di Pauli erklärte, dass es bei der Diagnose vorrangig darum geht, organische Ursachen auszuschließen. Steht die Diagnose eindeutig fest, geht es um die Wahl der richtigen Therapie. Zur Verfügung stehen medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva sowie nicht-medikamentöse Therapieverfahren. Bei Verwendung von Medikamenten sei eine Nutzen-Risiko-Abwägung wichtig. Bei sensiblen Menschen dürfen außerdem saisonale Depressionen nicht übersehen werden.
Die Natur als Therapeut
Manchmal reichen Medikamente allein jedoch nicht. Dann muss unter Umständen auch die Lebenssituation verändert werden, etwa durch psychotherapeutische Interventionen. Sie gelten als wirkungsvolle Verfahren bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Sozialarbeiter leisten Hilfestellung beispielsweise bei Alltagsproblemen und in der Freizeitgestaltung. Solche Maßnahmen laufen darauf hinaus, dass Betroffene wieder lernen, positive Dinge wertzuschätzen und gut auf sich selbst zu schauen. Angehörigen legte Jan Di Pauli nahe, sich über die Krankheit zu informieren, im Fall des Falles da zu sein, aber nicht den Therapeuten zu spielen und bei Bedarf selbst Hilfe zu suchen.
Es gibt aber auch wirksame Schutzmechanismen. Solche bieten etwa Sport in Gemeinschaft, Offenheit, Erfahrungen außerhalb der Komfortzone, realistischer Optimismus und die Natur. „Davon haben wir im Land zum Glück genug“, schloss Jan Di Pauli einen spannenden Vortragsabend.
Der Vortrag kann zur Gänze unter gesundheit.vol.at nachgesehen werden.