Covid19 und Kinder

Gesund / 01.05.2020 • 09:43 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Pädiater Thomas Müller vermittelt neues Wissen zu Covid19.vn/hartinger
Pädiater Thomas Müller vermittelt neues Wissen zu Covid19.vn/hartinger

Das weiß die Medizin heute.

Innsbruck Zu Beginn der Covid19-Pandemie galten Kinder und Jugendliche als „Superspreader“, die eine SARS-CoV2-Infektion besonders leicht übertragen würden. Mittlerweile liegen neue Erkenntnisse vor, trotzdem bleibt vieles noch immer ungewiss. Thomas Müller, Direktor der Universitätsklinik für Pädiatrie I der MedUni Innsbruck, erklärt, was evidenzbasiert bekannt ist und was noch erforscht werden muss und worauf Eltern achten sollten.

 

Hat sich diese Theorie von den „Superspreadern“ bestätigt?

Müller Das ist die brennende Frage, die uns alle interessiert, insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden schrittweisen Öffnung von Kindergärten und Schulen. Gesichert ist, dass über 90 Prozent der Infektionen bei Kindern asymptomatisch oder sehr mild verlaufen. Die Sorge ist, dass sich Kinder in der Schule unbemerkt infizieren und in weiterer Folge zu Hause Eltern und Geschwister infizieren könnten. Eine Voraussetzung für eine zusätzliche Verbreitung der SARS-CoV2-Infektion in der Bevölkerung.

 

Aber wie ansteckend sind infizierte Kinder für erwachsene Kontaktpersonen tatsächlich?

Müller Eine Studie aus China hat mit statistischer Signifikanz gezeigt, dass Kinder aller Altersgruppen und Erwachsene die gleichen Infektionsraten in Haushalten hatten. Wir brauchen dringend weitere Studien in sogenannten Familien-Clustern in Regionen mit hoher Prävalenz von Infizierten. Die können wir durchführen, wenn wir verlässliche Antikörpertests vornehmen können, um auch asymptomatisch abgelaufene Infektionen in den Familien zu detektieren. Wir wissen bisher nicht, ob asymptomatisch infizierte Kinder weniger oder mehr Viren über den Rachen ausscheiden als Erwachsene, so dass indirekte Schlüsse über deren tatsächliches Übertragungsrisiko nicht geliefert werden können. Cluster-Analysen in Familien und Haushalten sowie Studien über die Höhe der Viruslast im Rachen bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen könnten uns bereits in einigen Wochen diese wichtigen Antworten geben.

 

Kinder haben einen milden Verlauf, trotzdem wird in internationalen Medien auch von Todesfällen bei Kindern berichtet. Wie ist das zu erklären?

Müller In der Medizin ist es meist so, dass etwas nicht zu 100 Prozent gilt. Wir wissen aber aus allen Studien bisher, dass Kinder viel seltener schwere Atembeschwerden entwickeln. Schwere Covid19-Verläufe bei Kindern und Jugendlichen sind Einzelfälle. Warum das so ist, darüber gibt es bis jetzt nur Hypothesen und Spekulationen. Wir haben in der Kinderklinik in Innsbruck bisher nur zwei Kinder mit Covid19 behandelt. Ein sieben Jahre altes Kind zählte sogar zu einer Hochrisikogruppe mit einer akuten Leukä­mie bei laufender Chemotherapie. Die Mutter war zuvor positiv getestet worden, und das immunsupprimierte Kind präsentierte sich mit Fieber. In beiden Fällen gab es erfreulicherweise einen sehr milden Verlauf.

 

Wenn mein Kind wieder in die Schule oder den Kindergarten geht, worauf ist zu achten?

Müller Wenn die Maßnahmen jetzt schrittweile gelockert werden, sollten Eltern ihre Kinder sehr genau beobachten, ob sie Symptome entwickeln. Also: „Hat mein Kind eine rinnende Nase, Husten, ist es verkühlt, hat es Fieber oder unspezifische Zeichen eines Infekts wie Abgeschlagenheit?“ Im Zweifelsfall, wenn es bei einem Kind Hinweise auf eine Infektion gibt, dann gilt als erste Maßnahme: Unbedingt zu Hause bleiben! Die Hauptinfektionszeit ist vorbei, daher wäre es aus meiner Sicht angezeigt, im Falle von diesen Symptomen großzügig Abstrichtests auf SARS-CoV2 vorzunehmen, sobald ein Kind nur die geringsten Anzeichen eines Infektes zeigt.

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