Marlies Mohr

Kommentar

Marlies Mohr

Wunderbar normal

Gesund / 08.05.2020 • 10:23 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Am Schluss war es einfach nur noch zum Haareraufen. Weder morgens, noch mittags und schon gar nicht mehr abends saß die Frisur. Selbst tonnenweise 3-Wetter-Taft hätte da nichts mehr ausgerichtet. Mittlerweile haben, von fachkundiger Hand geführt, Kamm und Schere eine herrlich wohltuende Ordnung in das Chaos am Kopf gebracht. Dann gab es noch eine Pressekonferenz, bei der physische Anwesenheit wieder erlaubt war. Weiters radelten in der Früh drei Schüler an mir vorbei, und schließlich rasselten noch die letzten Bohnen aus einer 1-Kilo-Packung, die ich mir vor nunmehr acht Wochen eingedenk eines möglichen Corona-Worst-Case aufschwatzen ließ, durch die Kaffeemaschine. Endlich kann ich wieder auf eine andere Sorte umsteigen. Alles wunderbar normal, zumindest ein bisschen.

Man saugt inzwischen ja wirklich den kleinsten Tropfen der sich bruchstückhaft einstellenden Normalität buchstäblich auf wie ein Schwamm das Wasser. Dabei ist es schon erstaunlich zu sehen, wie schnell eigentlich ansonsten ganz banale Dinge zu etwas Außergewöhnlichem werden können, wie sich Selbstverständliches urplötzlich wie Phönix aus der Masse hebt. Ich vermute zwar, dass diese Euphorie bald der Gleichgültigkeit weichen wird, zu der wir Menschen auch neigen, wenn alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Aber vielleicht bleibt wenigstens ein bisschen dieses doch besonderen Gefühls in uns hängen, denn selbstverständlich ist im Grunde gar nichts, wie wir inzwischen und teilweise sehr schmerzhaft erleben mussten.

„Selbstverständlich ist im Grunde gar nichts, wie wir inzwischen und teilweise schmerzhaft erleben mussten.“

Marlies Mohr

marlies.mohr@vn.at

05572 501-385