Forschung für Demenzkranke

Gesund / 05.06.2020 • 09:48 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das Forschungsprojekt „Great“ zielt darauf ab, ältere Menschen mit Demenz über die Gefühlsebene auf eine neue bzw. wechselnde Handlung vorzubereiten. adobe
Das Forschungsprojekt „Great“ zielt darauf ab, ältere Menschen mit Demenz über die Gefühlsebene auf eine neue bzw. wechselnde Handlung vorzubereiten. adobe

FH Vorarlberg mit dem Projekt „Great“ schon erfolgreich unterwegs.

Dornbirn Bei einer irreversiblen Demenz ist das Gehirn direkt erkrankt. Bis heute lassen sich diese Krankheiten nicht heilen oder aufhalten. Das Forschungszentrum für nutzerzentrierte Technologien an der FH Vorarlberg hat mit europäischen Partnern nun ein nicht-medikamentöses Verfahren entwickelt, das die Symptome der Demenz im fortgeschrittenen Stadium reduziert.

Das interdisziplinäre Forschungszentrum leitet das EU-Forschungsprojekt „Great“, das die Lebensqualität von Menschen mit Demenz erhöhen soll. Dazu werden Lichtreize, Klänge und Gerüche aus der Natur verwendet. Ziel des Projekts ist es, die Begleitsymptome der Demenzerkrankung zu lindern und die Lebensqualität der Erkrankten, Angehörigen und Pflegenden zu erhöhen. Nun zeigen Studienergebnisse erste Erfolge.

Messbare Reduktion

Aus bisherigen Forschungsarbeiten weiß man, dass Licht, Klänge und Düfte je nach Zusammensetzung eine beruhigende oder aktivierende Wirkung haben können. Dieses Prinzip wurde nach einem genauen Plan angewendet. Möglich wurde dies durch in diesem Projekt entwickelte neue digitale Technologien und mechatronische Systeme. Das Ergebnis ist ein sogenanntes „zirkadianes Zeitgebersystem“, das mit Licht, Klängen und Düften arbeitet. „Unsere Sinnesorgane sind an Rezeptoren gekoppelt, die biologische Prozesse im Körperinneren steuern. So verhindert etwa der durch das Auge aufgenommene Blauanteil des Lichts eine Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin und wird damit zum Zeitgeber für den Tag-Nachtrhythmus“, erklärt Prof. Guido Kempter, Leiter des Forschungszentrums. Dieses neue System wurde mit mehr als 2000 gesunden Personen getestet und dann über eine Dauer von 19 Monaten bei über 130 Demenzpatienten angewendet.

Im Testzeitraum wurde mehrmals die subjektive Belastung der Pflegepersonen der Demenzpatienten erhoben. Während sie bei Pflegepersonen ohne Zeitgebersystem zunahm, ging sie im Zusammenhang mit dem Zeitgebersystem zurück. „Es muss allerdings angemerkt werden, dass nach 19 Monaten aufgrund der unweigerlich fortschreitenden Demenz die Belastung wieder leicht anstieg“, räumt Kempter ein. In dieser Zeit wurden auch die üblichen medizinischen Behandlungen durchgeführt. In Kombination mit dem Zeitgebersystem zeigte sich dabei in 66 Prozent der Anwendungsfälle eine messbare Verringerung der Demenzsymptome. Ohne Zeitgebersystem trat nur bei 51 Prozent eine Symptomlinderung ein. Besonders eindrücklich waren die unmittelbaren Effekte einer Intervention mit dem Zeitgebersystem. Je nach Zielsetzung konnte eine umgehende Aktivierung oder Beruhigung in der Verhaltensaktivität der Demenzpatienten und der Biorhythmik der Pflegepersonen beobachtet werden.

Erfolgreiche Evaluierung

Das Projektteam hat sich mit diesen Ergebnissen erfolgreich einer Evaluierung durch ein internationales Expertenteam gestellt. Guido Kempter zeigt sich erfreut über die Ergebnisse: „Das Konsortium legte Wert darauf, eine lange Testphase an sieben Standorten in drei Ländern durchzuführen. Es konnten objektive Beweise gesammelt werden, unter welchen Bedingungen das System wie erwartet funktioniert. Das ist in der Tat einer der stärksten Aspekte des Projekts.“ Das Projektteam, bestehend aus sieben Unternehmen und zwei Hochschulen, hat auch einen Plan für die Vermarktung entwickelt. Ein Modul hat bereits alle Zertifizierungen für ein marktreifes Produkt durchlaufen.