Spezifische Diagnostik im Fokus

Gesund / 23.10.2020 • 11:22 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Oberärztin Bettina Grager: „ADHS ist bei Erwachsenen sehr häufig.“ BI
Oberärztin Bettina Grager: „ADHS ist bei Erwachsenen sehr häufig.“ BI

Bettina Grager leitet die Autismus- und ADHS-Ambulanz am LKH Rankweil.

RANKWEIL Autismus und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) bei Erwachsenen sind keine gängigen Diagnosen. Da sich teilweise die Symptome der Krankheitsbilder ähneln, wurde im Landeskrankenhaus Rankweil unter Primar Jan Di Pauli die österreichweit erste und einzige Ambulanz eingerichtet, die auf beide Störungsbilder spezialisiert ist. Bettina Grager, Geschäftsführende Oberärztin, leitet die Ambulanz und wird dabei von Manuela Amberger unterstützt.

 

Was ist Autismus?

GRAGER Autismus gehört zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Man unterscheidet frühkindlichen Autismus, der sich durch eine Sprachentwicklungsstörung vor dem dritten Lebensjahr manifestiert, und das Aspergersyndrom, welches die gleichen Symptome hat, aber ohne die Sprachentwicklungsstörung. Bei Autismusspektrumsstörungen sind die sozialen Interaktionen wie Blickkontakt, mangelnde Empathie, fehlendes Interesse an anderen Menschen sowie die verbale und nonverbale Kommunikation gestört, gekennzeichnet durch beeinträchtigtes soziales Spiel, stereotype Verwendung von Sprache, Konkretismus, wenig Gestik und Mimik.

 

Wie äußert sich ADHS?

GRAGER ADHS ist bei Erwachsenen sehr häufig, circa vier Prozent der Bevölkerung sind betroffen, bei Kindern sind es acht Prozent. ADHS ist gekennzeichnet durch ein Aufmerksamkeitsdefizit, durch Konzentrationsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität. Menschen mit ADHS nehmen alles um sie herum gleich intensiv wahr, was dazu führt, dass sie eben sehr abgelenkt und unaufmerksam sind. Durch diese ständige Reizüberflutung sind sie sehr ruhebedürftig und haben oft Schlafstörungen. Menschen mit ausgeprägtem Aufmerksamkeitsdefizit sind oft Tagträumer, die in ihre eigene Gedankenwelt versinken und in Gesprächen den Faden und auch das Interesse verlieren, dadurch können sie auch unhöflich wirken.

 

Worin besteht Ihre Aufgabe?

GRAGER Wir machen in der Ambulanz des LKH Rankweil die psychiatrische Diagnostik mit ausführlicher Anamneseerhebung, Selbsttestung und klinischem Interview. Außerdem gehören eine Blutabnahme und eine Bildgebung mittels MRT dazu. Wenn die Diagnose gestellt ist, klären wir ausführlich darüber auf und informieren über Behandlungsmöglichkeiten. Wenn gewünscht, bieten wir bei ADHS auch einen Therapiebeginn mit Medikamenten an. Die Weiterbetreuung und -behandlung findet im niedergelassenen Bereich statt.

 

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

GRAGER Bei ADHS können wir eine biologische Therapie mit Medikamenten, Psychotherapie oder Coaching empfehlen. Die Therapie ist immer individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche des Patienten ausgelegt. Eine spezifische medikamentöse Therapie für Autismus gibt es nicht, manchmal müssen aber begleitende Erkrankungen wie Depression oder Angstzustände behandelt werden. In der Autismus­therapie spielen soziales Kompetenztraining und Psychotherapie eine große Rolle.

 

Mit welchen Erwartungen kommen die Klienten in die Ambulanz?

GRAGER Die Erwartungen sind sehr unterschiedlich. Sie reichen vom dringenden Bedürfnis nach Veränderung durch medikamentöse Therapie bis hin zum Verständnis für die Probleme, die schon ein ganzes Leben bestanden haben. Immer wieder kommen Menschen mit der Überzeugung, an Autismus zu leiden, die aber eigentlich ein ADHS haben. Nachdem die Behandlung aber sehr unterschiedlich ist, ist eine exakte Diagnosestellung notwendig, wie bei allen anderen psychiatrischen und somatischen Erkrankungen auch. BI