Soziale Isolation macht krank

Experten informierten bei Med Konkret über Hilfsmöglichkeiten.
Schwarzach Krisen können überall auftreten und jeden treffen. Derzeit ist es das Coronavirus, das viele Menschen beeinträchtigt, ihnen Angst und die für ein gutes Leben so wichtigen sozialen Kontakte madig macht. Dabei ist gerade die soziale Verbundenheit ein zentraler Faktor, um mit Krisen besser umgehen zu können. Diese Tatsache betonte auch Primar Georg Weinländer vom Departement für Psychosomatische Medizin im LKH Hohenems in seinem Med Konkret-Vortrag, der sich mit Hilfestellungen in Krisenzeiten beschäftigte. Soziale Isolation hingegen kann drastische Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit haben. Deshalb sein Appell: „Bleiben Sie in Verbindung auch ohne Nähe, es gibt viele Möglichkeiten dafür.“
Die im Landeskrankenhaus Feldkirch tätige Psychoonkologin Simone Bösch präsentierte eine aktuelle Studie, in der Krebspatienten nach ihrem Empfinden im Zusammenhang mit der Coronakrise befragt wurden. „Menschen mit einer schweren Erkrankung sind durch ein solches Ereignis zusätzlich belastet“, erklärte Bösch. Insgesamt trifft Corona alle Bevölkerungsschichten in Mark und Bein. Eine wichtige Botschaft der Experten: „Sich gegenseitig kümmern, denn Einsamkeit macht krank, und Hilfe suchen, wenn sie gebraucht wird.“
Von außen nach innen
Primar Georg Weinländer beschrieb Krisen als zeitlich begrenzte Schnittpunkte, die mit bisher vertrauten Möglichkeiten nicht zu bewältigen sind. Eine äußere Krise wirke jedoch immer auch nach innen. Deshalb betrachtet die Psychosomatik seelische, körperliche und soziale Strukturen in der Behandlung als gleichwertig. Im Laufe seiner Persönlichkeitsentwicklung durchläuft der Mensch viele Krisen. Wie er sie bewältigt, hängt wesentlich mit dem Umfeld zusammen. Sichere Bindungsstrukturen in der Kindheit, Intelligenz, Leistungsmotivation, die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, der Glaube an einen Sinn im Leben und positive Weltansichten nannte Weinländer als Beispiele, die durch Krisenzeiten helfen. Resilienz ist auch ein wichtiger Begriff. Er bezeichnet die Fähigkeit, Unbill ohne seelische Kratzer zu überstehen. „Resiliente Menschen können an besonderen Ereignissen sogar reifen“, sagte Georg Weinländer. Er zitierte außerdem eine Studie, der zufolge psychosoziale Interventionen auch auf das Immunsystem wirken. Sein beredtes Schlusswort: „Lassen Sie uns Haltung bewahren. Sie hat Einfluss auf unsere Gesundheit.“
Emotionale Grundbedürfnisse
Zu Beginn ihres Vortrags erläuterte Simone Bösch die Ergebnisse ihrer Untersuchung bei Krebspatienten. Die Hälfte fürchtet sich demnach vor einer Coronainfektion, viele fürchten um ihre Behandlung, 53 Prozent zeigen Anzeichen von Depressionen. „Schwerkranke brauchen Struktur und Stabilität“, erklärte Bösch. Ebenso wichtig sei eine klare Kommunikation mit Patienten und Angehörigen. Auf die allgemeine Situation bezogen führte die Psychoonkologin aus: „Die Infektion bringt ein starkes System ins Wanken, und das sorgt für Angst.“ Um sich daraus zu lösen, brauche es eine gute Balance von Erholung und Aktivität sowie ein gesundes Maß an Egoismus und soziale Verbindungen. Für sie sind das emotionale Grundbedürfnisse. Die zur Bekämpfung der Coronapandemie erlassenen Maßnahmen hält Simone Bösch für notwendig, aber: „Sie belasten eben.“
Glückstagebuch
Um einen positiven Umgang damit zu finden, rät sie unter anderem, Veränderungen zu akzeptieren und die Situation so weit es geht anzunehmen. Dazu gehöre, hinderliche Glaubenssätze umzuformulieren. Das Führen eines Glückstagebuchs kann ihren Aussagen zufolge auch eine Unterstützung sein, ebenso die eigene Person wieder mehr wertzuschätzen und Hoffnung und Vertrauen in die eigene Problemlösefähigkeit zu entwickeln. „Außerdem sollten wir uns vor Augen führen, dass Krisen nur eine vorübergehende Erscheinung sind.“
Fragen der Zuseher
Welche Unterstützung erhalten Patienten, die nur eingeschränkt oder gar keine Besuche empfangen dürfen?
BÖSCH Bei Patienten, die niemanden haben, der sie besucht, sind alle, die im Krankenhaus arbeiten, sehr gefordert. Es gilt, die Situation so gut und so menschlich wie möglich zu gestalten.
WEINLÄNDER Das LKH Hohenems war während der Pandemie ein Coronakrankenhaus. Da konnten Patienten teilweise drei Wochen keine Besuche empfangen. Wir hatten mit dem Departement für Psychosomatik aber das Glück, eine psychotherapeutische Begleitung dieser Patienten im Haus organisieren zu können.
Wie lässt sich die Fülle an Informationen, die ja auch belastend sein kann, filtern?
BÖSCH Aufgrund der vielen technischen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, sind Informationen schneller verfügbar, als sie kontrolliert werden können. Daher ist jeder Einzelne selbst gefordert, zu entscheiden, wo und in welchem Umfang er sich die Informationen holt.
Wo liegt der Unterschied zwischen Psychosomatik und Psychiatrie?
WEINLÄNDER Die Psychosomatik beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen seelischen, körperlichen und sozialen Effekten. Die Psychiatrie ist eine spezialisierte Disziplin, die sich mit seelischen, teils auch hirnorganischen Erkrankungen befasst und diese auch medikamentös behandeln kann.
Wer ist erster Ansprechpartner bei seelischen Erkrankungen?
WEINLÄNDER Es gibt in Vorarlberg sehr viele ambulante Anlaufstellen. Ich stamme aus Wien und wir haben Vorarlberg immer um dieses Angebot beneidet. Jeder, der es braucht, kann sich darauf verlassen, dass ihm bei Bedarf auch mit weiterführenden Strukturen geholfen wird.
Ist ein guter Zugang zu diesem Angebot gewährleistet?
BÖSCH Der Zugang ist insofern gewährleistet, als dass jeder schnell Informationen erhält. Die nachgehende bzw. langfristige psychotherapeutische Betreuung wird derzeit durch das IfS ausgebaut, leider sind die Wartezeiten trotzdem immer noch recht lang. Jeder, der in diesem Beruf arbeitet, ist aber sehr bemüht. Ich denke, da müssen wir noch stärker zusammenarbeiten.
Wann ist eine stationäre Betreuung angezeigt?
WEINLÄNDER Zuerst sollte man es auf jeden Fall ambulant probieren. Reicht diese Begleitung nicht mehr aus, braucht es einen stationären Aufenthalt.
Was kann ich gegen die Angst im Dunkeln tun?
WEINLÄNDER Es gibt Ambulanzen, in denen jahreszeitlich bedingte Stimmungsschwankungen behandelt werden. In diesem Fall könnte jedoch eine Psychotherapie hilfreich sein.
BÖSCH Ein Mensch, der Angst hat, darf nicht alleingelassen werden, und er soll auch wissen, dass er sich für diese Angst nicht schämen muss.
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