Verbindung halten auch ohne Nähe

Gesund / 30.10.2020 • 12:29 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Simone Bösch und Georg Weinländer standen nach ihren Vorträgen den Zusehern und VN-Redakteurin Marlies Mohr noch Rede und Antwort.
Simone Bösch und Georg Weinländer standen nach ihren Vorträgen den Zusehern und VN-Redakteurin Marlies Mohr noch Rede und Antwort.

Soziale Isolation kann Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit haben.

schwarzach Krisen können überall auftreten und jeden treffen. Derzeit ist es das Coronavirus, das viele Menschen beeinträchtigt, ihnen Angst und die für ein gutes Leben so wichtigen sozialen Kontakte madig macht. Dabei ist gerade die soziale Verbundenheit ein zentraler Faktor, um mit Krisen besser umgehen zu können. Diese Tatsache betonte auch Primar Georg Weinländer vom Departement für Psychosomatische Medizin im LKH Hohenems in seinem Med Konkret-Vortrag, der sich mit Hilfestellungen in Krisenzeiten beschäftigte. Soziale Isolation hingegen kann drastische Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit haben. Deshalb sein Appell: „Bleiben Sie in Verbindung auch ohne Nähe, es gibt viele Möglichkeiten dafür.“

Die im Landeskrankenhaus Feldkirch tätige Psychoonkologin Simone Bösch präsentierte eine aktuelle Studie, in der Krebspatienten nach ihrem Empfinden im Zusammenhang mit der Coronakrise befragt wurden. „Menschen mit einer schweren Erkrankung sind durch ein solches Ereignis zusätzlich belastet“, erklärte Bösch. Insgesamt trifft Corona alle Bevölkerungsschichten in Mark und Bein. Eine wichtige Botschaft der Experten: „Sich gegenseitig kümmern, denn Einsamkeit macht krank, und Hilfe suchen, wenn sie gebraucht wird.“

Von außen nach innen

Primar Georg Weinländer beschrieb Krisen als zeitlich begrenzte Schnittpunkte, die mit bisher vertrauten Möglichkeiten nicht zu bewältigen sind. Eine äußere Krise wirke jedoch immer auch nach innen. Deshalb betrachtet die Psychosomatik seelische, körperliche und soziale Strukturen in der Behandlung als gleichwertig. Im Laufe seiner Persönlichkeitsentwicklung durchläuft der Mensch viele Krisen. Wie er sie bewältigt, hängt wesentlich mit dem Umfeld zusammen. Sichere Bindungsstrukturen in der Kindheit, Intelligenz, Leistungsmotivation, die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, der Glaube an einen Sinn im Leben und positive Weltansichten nannte Weinländer als Beispiele, die durch Krisenzeiten helfen. Resilienz ist auch ein wichtiger Begriff. Er bezeichnet die Fähigkeit, Unbill ohne seelische Kratzer zu überstehen. „Resiliente Menschen können an besonderen Ereignissen sogar reifen“, sagte Georg Weinländer. Er zitierte außerdem eine Studie, derzufolge psychosoziale Interventionen auch auf das Immunsystem wirken. Sein beredtes Schlusswort: „Lassen Sie uns Haltung bewahren. Sie hat Einfluss auf unsere Gesundheit.“

Emotionale Grundbedürfnisse

Zu Beginn ihres Vortrags erläuterte Simone Bösch die Ergebnisse ihrer Untersuchung bei Krebspatienten. Die Hälfte fürchtet sich demnach vor einer Coronainfektion, viele fürchten um ihre Behandlung, 53 Prozent zeigen Anzeichen von Depressionen. „Schwerkranke brauchen Struktur und Stabilität“, erklärte Bösch. Ebenso wichtig sei eine klare Kommunikation mit Patienten und Angehörigen. Auf die allgemeine Situation bezogen führte die Psychoonkologin aus: „Die Infektion bringt ein starkes System ins Wanken, und das sorgt für Angst.“ Um sich daraus zu lösen, brauche es eine gute Balance von Erholung und Aktivität sowie ein gesundes Maß an Egoismus und soziale Verbindungen. Für sie sind das emotionale Grundbedürfnisse. Die zur Bekämpfung der Coronapandemie erlassenen Maßnahmen hält Simone Bösch für notwendig, aber: „Sie belasten eben.“

Glückstagebuch

Um einen positiven Umgang damit zu finden, rät sie unter anderem, Veränderungen zu akzeptieren und die Situation so weit es geht anzunehmen. Dazu gehöre, hinderliche Glaubenssätze umzuformulieren. Das Führen eines Glückstagebuchs kann ihren Aussagen zufolge auch eine Unterstützung sein, ebenso sich selbst wieder mehr wertzuschätzen und Hoffnung und Vertrauen in die eigene Problemlösefähigkeit zu entwickeln. „Außerdem sollten wir uns vor Augen führen, dass Krisen nur eine vorübergehende Erscheinung sind.“

Der Vortrag kann auf VN.at nachgesehen werden

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