Lebensqualität bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sichern

Gesund / 21.11.2020 • 12:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Lebensqualität bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sichern
Primar Claudius Falch (oben) und Oberarzt Stefan Ebner informierten umfassend. VN

Experten des LKH Bregenz informierten beim Med Konkret.

Bregenz „Muss ich mich an eine spezialisierte Klinik wenden, wenn der Dickdarm vollständig entfernt werden muss?“, wollte ein Zuseher wissen. Die Frage konnte Primar Claudius Falch, Leiter der Chirurgie im Landeskrankenhaus Bregenz, klar mit einem Nein beantworten, denn: „Wir sind das Zentrum für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in Vorarlberg.“ Gemeinsam mit Oberarzt Stefan Ebner erläuterte Falch die chirurgischen Möglichkeiten, die sich bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa bieten. Die Spezialisten betonten aber auch, dass vorrangig konservative Therapien zum Einsatz kommen und operative Eingriffe mit Bedacht angewendet werden.

Genetische Disposition

Sie räumten allerdings ein, dass im Langzeitverlauf dennoch zahlreiche Patienten eine Operation benötigen. Beim Morbus Crohn etwa sind es nach fünf Jahren über 30 Prozent, bei der Colitis ulcerosa nach 10 Jahren fast 16 Prozent. Die positive Botschaft: Aufgrund verbesserter Therapien werden diese Eingriffe weniger. Ebenso betonten Falch und Ebner die Wichtigkeit einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit zum Wohle der Betroffenen. „Es braucht Expertenteams mit Erfahrung und eine gemeinsame Therapieentscheidung.“ Im LKH Bregenz, wo Claudius Falch seit einem halben Jahr die Chirurgie leitet, soll die fachliche Kooperation weiter ausgebaut werden.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Sie kommen vor allem in den Industrieländern vor und treffen sowohl Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene. CED bedingen eine dauerhafte Medikamententherapie sowie regemäßige Darmspiegelungen. „Deshalb ist eine gute Betreuung der Patienten wichtig“, erklärte Primar Falch. Ziel sei die Verbesserung der Lebensqualität. Noch nicht vollständig geklärt ist die Entstehung dieser Krankheiten, wobei von einer Störung des Abwehrsystems im Darm ausgegangen wird und Bakterien, die in die Darmwand eindringen, Entzündungen verursachen. „Zudem gibt es eine genetische Disposition“, erläuterte Stefan Ebner.

Krankheit kommt in Wellen

Die Erkrankungen verlaufen in Wellen. Schübe mit hohen Entzündungsaktivitäten und Symptomen wie Bauchschmerzen und Durchfall werden abgelöst von unterschiedlich langen Ruhephasen. Während der Morbus Crohn den gesamten Verdauungstrakt betreffen kann, ist es bei der Colitis ulcerosa ausschließlich der Dickdarm. Da es keine Heilung gibt, sondern nur eine Symptomkontrolle, liegt der Fokus darauf, eine möglichst lange Beschwerdefreiheit zu erzielen und zu erhalten sowie Folgeschäden bzw. Komplikationen zu vermeiden oder frühzeitig zu entdecken. „Diese Patienten benötigen regelmäßige Kontrollen“, sagte Ebner.

Hohe Krebsgefahr

Ein großes Problem von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist, dass mit Fortdauer auch die Krebsgefahr steigt und Krebsvorstufen entstehen. Sie sind ein Grund, zum Skalpell zu greifen. Ein Darmdurchbruch mit massiven Blutungen bedeutet, dass ein Notfall vorliegt. Bei Colitis ulcerosa ist mitunter die Entfernung des gesamten Dickdarms erforderlich. Da es sich dabei um einen sehr großen Eingriff handelt, wird er in drei Schritten durchgeführt. Beim Morbus Crohn können Fisteln und Engstellen auftreten, die ebenfalls einer Operation bedürfen. „Operationen bei CED sind angezeigt, wenn die medikamentöse Therapie nichts mehr bringt oder es sich um Notfälle handelt“, fasste Primar Claudius Falch zusammen. Über jeden Eingriff müsse jedoch individuell entschieden werden.

Zur Erklärung der gängigen OP-Verfahren ließen die Mediziner eindrückliche Bilder sprechen.

Der Vortrag kann zur Gänze auf vn.at nachgesehen werden. https://youtu.be/CYB8HniMV24

Fragen der Zuseherinnen und Zuseher

Mein Morbus Crohn wurde jahrelang mit Cortison behandelt. Dabei habe ich 35 Kilo zugenommen. Dann wurde die Behandlung geändert, seitdem versuche ich, das Übergewicht loszuwerden, aber trotz Ernährungsumstellung gelingt das nicht. Was kann ich tun?

Falch Die Patientin sollte sich in einem Zentrum vorstellen. Dort sind verschiedenste Untersuchungen möglich, möglicherweise sollte der Darm noch einmal unter die Lupe genommen werden. Cortison ist immer vergesellschaftet mit einer Gewichtszunahme. Es sollte auch keine Dauermedikation sein. Es gibt viele andere Alternativen.

In welchem Rhythmus sind Koloskopien bei einer Colitis ulcerosa sinnvoll?

Falch Das hängt vom Befund ab. Im Normalfall wird eine jährliche Koloskopie empfohlen, treten beispielsweise Krebsvorstufen auf, braucht es deutlich kürzere Intervalle.

Wie differenzieren sich chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und ein Reizdarmsyndrom?

Falch Dafür braucht es entsprechende Untersuchungen, dann sollten die Diagnosen gut differenziert werden können.

Mit einer Stuhlprobe kann der Calprotectin-Wert und somit die Entzündung im Dickdarm gemessen werden. Wie aussagekräftig und verlässlich ist dieser Wert? Kann dieser Wert innerhalb einer Woche um mehr als 1000 sinken?

Falch Der Calprotectin-Wert ist ein diagnostischer Marker, der bei Entzündungskontrollen eingesetzt wird. Um zu wissen, warum es zu dieser Senkung gekommen ist, müsste kontrolliert werden, warum der Wert so hoch war und was dazwischen passiert ist.

Welche Auswirkung hat die Ernährung auf den Krankheitsverlauf oder den Ausbruch der Krankheit? Wenn es Auswirkungen gibt, worin besteht eine optimale Ernährungsweise?

Falch Ich bin kein Ernährungsmediziner, da gibt es bessere Ansprechpartner, aber die Ernährung kann tatsächlich sehr viel bewirken, speziell im jugendlichen Alter. Da kam es schon vor, dass chronisch-entzündliche Darmerkrankungen allein durch die Ernährung komplett abgeheilt sind.

Ab wann wird von einem komplexen Morbus Crohn gesprochen?

Falch Von einem komplexen Morbus Crohn wird gesprochen, wenn Fisteln vorliegen, sie nicht vernünftig abheilen, Komplikationen machen, sodass mehrfach operiert werden muss, wenn auch der obere Magen-Darm-Trakt befallen ist, mehrfach Stenosen vorkommen: Dann wird es komplex.