Zeit als wertvolle Ressource

Gernot Jochum-Müller ist Obmann des Vereins Zeitpolster.
DORNBIRN Das Projekt Zeitpolster bietet Menschen, die Unterstützung benötigen, nicht nur Hilfe, sondern auch Zeit, die dann gemeinsam verbracht wird. Wer hilft, spart außerdem Zeit für eigene Betreuungen an.
Was beinhaltet die Initiative Zeitpolster?
JOCHUM-MÜLLER Bei Zeitpolster organisieren Freiwilligenteams wie etwa in Dornbirn oder beim Harder Sozialsprengel Betreuungsleistungen für ältere Menschen, Menschen mit Behinderung und Familien mit Kindern. Statt Geld gibt es eine Zeitgutschrift, also eine Art Zeitsparbuch. Was besonders auffällt, ist, dass viele bei uns mitmachen, die sich bislang nicht ehrenamtlich engagiert haben.
Wie kann das angesparte Zeitguthaben eingelöst werden?
JOCHUM-MÜLLER Wenn selber Hilfestellungen oder Betreuungsleistungen gebraucht werden, kann dies mit der angesparten Zeit bezahlt werden. Das ist eine echte Vorsorge fürs Alter, die man auch noch aufbauen kann, wenn man schon in Pension ist.
Entstehen den Betreuten Kosten?
JOCHUM-MÜLLER Eine Stunde kostet acht Euro, bis man sich eigene Stunden angespart hat. Die Hälfte des Betrags legen wir auf ein Notfallkonto. Hat jemand Zeit angespart und wir finden dann niemand, der dieser Person hilft, hat derjenige einen Geldbetrag zur Verfügung, um Betreuungsleistungen zu bezahlen.
Wie kam es zu der Gründung des Vereins?
JOCHUM-MÜLLER Ich war sowohl beruflich als auch in meiner Freizeit mitverantwortlich, solche Modelle in anderen Ländern aufzubauen. Da wir in Österreich große Herausforderungen im Bereich Betreuung haben, wollte ich auch hier ein ähnliches Projekt etablieren. Die ersten Schritte haben wir im Verein Talente gesetzt. Da konnten wir wichtige Erfahrungen sammeln.
Warum engagieren Sie sich sozial?
JOCHUM-MÜLLER Die eigene Erfahrung in der Familie spielt für mich eine große Rolle. Mit der Aufnahme ins Ashoka Netzwerk war die Möglichkeit für ein Stipendium verbunden. Das hat es mir erlaubt, meine Arbeit als selbständiger Berater etwas zu reduzieren. Damit war für mich klar, dass ich auch in Österreich ein Zeitvorsorgemodell starten werde.
Wie sehen die Erfahrungen des noch jungen Vereins aus?
JOCHUM-MÜLLER Das Interesse ist sehr groß, auch wenn in Zeiten von Corona vieles langsamer geht als geplant. Die ersten 10.000 Stunden Vorsorge sind von den helfenden Personen bereits angespart worden. Die Nachfrage nach Leistungen ist groß.
In welchen Bundesländern wird diese Initiative ebenfalls umgesetzt?
JOCHUM-MÜLLER In Vorarlberg sind wir inzwischen im Vorderwald, in Hard, Dornbirn, im Vorderland und in Bludenz/Montafon aktiv. Auch in Wien gibt ein tolles Netzwerk. In Niederösterreich, der Steiermark, Salzburg und Tirol gibt es ebenfalls schon sehr aktive Zeitpolstergruppen. Das Land Salzburg hat uns aktuell mit dem Aufbau von weiteren Gruppen beauftragt. Unser erster „Lizenzpartner“ hat 2020 in Liechtenstein gestartet.
Welche Projektziele verfolgen Sie noch?
JOCHUM-MÜLLER In Vorarlberg suchen wir aktuell Personen, die helfen wollen, aber auch Gruppengründer. Für dieses Jahr planen wir zudem, nach Deutschland zu expandieren. Wir freuen uns über jeden, der mithilft, unser Vorsorge- und Betreuungsnetzwerk einen Schritt größer zu machen. BI
Zur Person
GERNOT JOCHUM-MÜLLER
Geboren 1970
Familie verheiratet mit Sabine, drei Töchter
Wohnort Dornbirn
Beruflicher Werdegang Handwerk, Sozialarbeit, Unternehmensberater, vier Gründungen von Unternehmen beziehungsweise Organisationen
Hobbys Talente Vorarlberg und ALLMENDA Social Business eg. (VTaler, Fachl und viele mehr)