„Besser als keine Diagnose“

Am 28. Februar ist der Tag der seltenen Krankheiten. 500.000 Österreicher sind betroffen.
Innsbruck Rund sieben Prozent der Bevölkerung leiden an einer von mehr als 7000 bisher bekannten seltenen Erkrankungen. In Österreich wird die Zahl der Betroffenen auf rund eine halbe Million geschätzt. Zwei am Zentrum für seltene Krankheiten in Innsbruck (ZSKI) tätige Mediziner betonen die Wichtigkeit der Bewusstseinsbildung und Aufklärung. Am 28. Februar ist der Tag der seltenen Krankheiten.
„Sehr vielen Betroffenen kann man bereits sehr gut helfen“, unterstreicht Johann Gruber, internistischer Rheumatologe an der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin II (Infektiologie), die Wichtigkeit einer „ernsthaften Suche“ und der Diagnosestellung. „Im Vordergrund steht immer das Wissen des Arztes“, sagt Gruber, man müsse die Schilderungen der Patienten „immer sehr ernst nehmen“. Denn: „Eine Diagnose ist immer besser als keine Diagnose.“
Dramatische Folgen
Ein Krankheitsbild gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Personen an dieser Krankheit leiden. „Das Nichterkennen einer seltenen Erkrankung kann für Patienten dramatische Auswirkungen haben, denn mit den Folgeschäden haben sie meist ein Leben lang zu kämpfen“, erläutert der Rheumatologe.
Sobald die Diagnose feststeht, habe man auch die Möglichkeit, „eine kleine Erfolgsgeschichte zu schreiben“, fügt Jürgen Brunner, pädiatrischer Rheumatologe an der Innsbrucker Kinderklinik, hinzu. Eine solche Erfolgsgeschichte konnte bei Sabine Gruber und ihrem sechsjährigen Sohn Andreas geschrieben werden. Die beiden leiden unter demselben Gendefekt. 2019 habe man bei Andreas „die genetisch gesicherte Diagnose gestellt“, erzählt Brunner, und habe dadurch auch der Mutter geholfen. Die beiden leiden an einer autoinflammatorischen Erkrankung. Bestimmte Zellen des Immunsystems sind sehr aktiv, wodurch es zu Entzündungsreaktionen kommt, die den ganzen Körper betreffen. Eine weitere Familie in Tirol sei davon betroffen, sagte Brunner, österreichweit dürften es „wohl um die zehn Familien sein“.
Den „Tag, an dem man endlich etwas fand“ bezeichnete Sabine Gruber als „großes Wunder“, sie würde seitdem „so viel mehr Lebensfreude“ verspüren und sei froh, ihrem Sohn durch adäquate Therapie „den langen Leidensweg ersparen zu können“. Sie selbst habe fast 40 Jahre lang an starken Schmerzen gelitten und Suizidgedanken gehabt. „Man beginnt an sich selbst zu zweifeln“, beschreibt die Betroffene ihre Odyssee.
Austausch über Fälle
Die Diagnose verdanken die beiden der engen Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche der Innsbrucker Universitätsklinik im Rahmen des Zentrums für seltene Erkrankungen. Ein interdisziplinäres Team trifft sich einmal im Monat, um sich über schwer diagnostizierbare Fälle auszutauschen. „In Tirol sind die Wege kurz“, so Brunner, und auch international würde man sich vernetzen und austauschen. Sein Kollege Gruber spricht vom „Zusammensetzen von Puzzleteilen“.
Selbsthilfegruppen
Es gebe auch nationale Selbsthilfegruppen, verweist der pädiatrischer Rheumatologe auf Angebote für Betroffene. „Pro rare Austria“ etwa vertritt als „Allianz für seltene Erkrankungen“ deren Interessen und arbeitet mit dem Ziel, das Wissen über seltene Erkrankungen zu vergrößern und Betroffene zu vernetzen.