Wissenschaftliche Kontroversen
Eine früher nie gekannte Häufung von extrem niedrigen Vitamin D3 Spiegeln bei meinen Vorsorgeklientinnen hat mich zu einer Literaturrecherche zu Vitamin D3 und Corona veranlasst. Gleich die erste Studie aus Barcelona/Spanien, ein Preprint von The Lancet, hat mich gefesselt. Preprints bieten einen schnellen, frühen und offenen Zugang zu sich entwickelnder wissenschaftlicher Forschung, sie sind aber (noch) nicht durch unabhängige Experten geprüft.
Wenige Tage später erscheint eine Studie zum Thema Vitamin D3 und Covid-19 aus São Paulo/Brasilien. Publiziert ist diese Arbeit im ebenfalls angesehenen Journal der Amerikanischen Ärztegesellschaft nach komplett durchlaufenem Review-Prozess. Die zwei Studien kommen zu völlig konträren Ergebnissen: Während „Barcelona“ einen wesentlich günstigeren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus nach einer hohen Dosis Vitamin D3 findet, zeigt sich in „São Paulo“ keine signifikante Wirkung.
Aufgrund der divergierenden Ergebnisse wollte ich die erste Arbeit vertieft studieren. Und siehe da, sie wurde vom Herausgeber von Preprint Lancet gelöscht. In der offenen Online-Diskussion von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt waren Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit angemeldet worden.
Die Vitamin-D3-Kontroverse zieht sich wie ein roter Faden seit Jahren durch die Wissenschaft. Von hochgejubelt für fast alles, was unsere Gesundheit betrifft, bis zu nüchternen Ergebnissen, die nur die Behandlung eines Vitaminmangels befürworten, findet man alles in seriösen medizinischen Journalen. Persönlich bin ich näher bei den Experten, die empfehlen, das Vitamin D3 im Blut zu messen und die Substitution gezielt vorzunehmen.
Eine ähnlich kontroverse Situation ist kürzlich mit der Bewertung des Oxford-AstraZeneca-Impfstoffes aufgetreten. Eine Wirtschaftszeitung (! Konkurrenz?) hat ohne Fakten kritisch zur Wirksamkeit und zur südafrikanischen Mutation berichtet. Die Recherche in der Fachliteratur ist zunächst negativ verlaufen. Erst Tage später ist ein Preprint erschienen, das von der internationalen Fachwelt diskutiert werden konnte. Die öffentliche, nicht wissenschaftliche Vorausmeldung, die von vielen Medien übernommen wurde, hat die Ergebnisse der Studie nur teilweise und verkürzt dargestellt. Die Kommentare der internationalen Fachwelt zu dieser wissenschaftlichen Arbeit sind weit überwiegend sehr kritisch ausgefallen und die meisten haben betont, dass der Oxford-AstraZeneca-Impfstoff ein sehr wichtiger Beitrag zur erfolgreichen Bewältigung der Pandemie ist.
Wissenschaft, Kommunikation und Schnelligkeit sind bei einer völlig neuen Krankheit schwierig unter einen Hut zu bringen. Was wir heute mit hoher Sicherheit wissen, ist, dass jeder derzeit verfügbare Coronaimpfstoff hoch wirksam ist in der Vermeidung von Todes- und Beatmungsfällen, selbst bei den Mutationen. Und das waren immer die vorrangigen Ziele der Pandemiebekämpfung.
Derzeit ist jeder verfügbare Corona-Impfstoff hoch wirksam in der Vermeidung von Todes- und Beatmungsfällen, auch bei den Mutationen.
Hans Concin
hans.concin@vn.at
Prim. a. D. Dr. Hans Concin, Vizepräsident aks Verein
Kommentar