Marlies Mohr

Kommentar

Marlies Mohr

Nichts ­Besonderes

Gesund / 11.06.2021 • 12:03 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Der Spiel- und Freizeitplatz war an diesem Spätnachmittag gut besucht. Die für einmal sommerlichen Temperaturen hatten Erwachsene und Kinder noch schnell ins Freie gelockt. Drei Mädchen im Volksschulalter versuchten sich als Basketballerinnen. Der bunte Ball flog im Kreis hin und her und ab und an auch in den Korb. Sie hatten Spaß, das war augenscheinlich und hörbar. Ihr fröhliches Lachen hallte von den Mauern der umliegenden Häuser wider und erfüllte den weiten Raum. Kinder, die spielen und es dabei lustig haben. Nichts Besonderes also? Genau. Zumindest sollte es nicht mehr als Besonderheit angesehen werden, dass Kinder mit einer Beeinträchtigung so ganz selbstverständlich mit von der Partie sind. Eines der drei Mädchen saß nämlich im Rollstuhl. Doch das behinderte weder sie noch ihre Begleiterinnen in dem, was sie taten. Ich weiß nicht, ob es sich um Geschwister handelte oder ob die drei einfach Freundinnen sind: Dieser ungezwungene Umgang mit dem Anderssein hatte etwas Schönes, etwas Lebendiges an sich, vor allem aber etwas, das inzwischen Alltag sein sollte.

Doch dem ist noch längst nicht so. Es gibt zwar viele gute Beispiele für eine gelungene Inklusion, aber eben auch Schnittstellen, an denen Menschen mit und ohne Behinderung wieder auseinanderdividiert werden. Seit 30 Jahren bemüht sich der Verein Integration Vorarlberg, solche Schnittstellen zu schließen, für ein gutes Leben mit Behinderung, wie es in einer Zusammenfassung der zahlreichen Aktivitäten heißt. Beim Schmökern in dieser Broschüre ist mir ein Satz besonders aufgefallen, der von einem Sonderschuldirektor aus Tirol stammt: „Es ist normal, dass es Arme und Reiche gibt, aber es ist ebenso normal, dass es Menschen mit und ohne Behinderung gibt.“ Eine Erkenntnis, die sich nach 30 Jahren eigentlich nicht nur bei Einzelnen, sondern in der ganzen Gesellschaft durchgesetzt haben sollte.

Marlies Mohr

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