Corona geht auch der Seele an die Nieren

Gesund / 10.09.2021 • 12:19 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Dialysepatienten müssen aufgrund einer Nierenfunktionsschwäche regelmäßig zur Blutwäsche. KHBG
Dialysepatienten müssen aufgrund einer Nierenfunktionsschwäche regelmäßig zur Blutwäsche. KHBG

Ein Team des LKH Feldkirch hat nachgeforscht, ob und wie sehr die Pandemie die Dialysepatienten belastet.

Feldkirch Es war vielleicht nicht so rasch und so spektakulär sichtbar, und doch hat sich im Lauf der vergangenen Monate gezeigt: Die Pandemie mit all den Schutzmaßnahmen und gesellschaftlichen Einschränkungen kann sich auf die seelische Gesundheit auswirken und den Menschen psychisch belasten. Besonders herausfordernd ist es für jene, deren Sozialkontakte durch eine Krankheit ohnehin stark eingeschränkt sind. Wie etwa bei Dialysepatienten, die aufgrund einer Nierenfunktionsschwäche regelmäßig zur Blutwäsche müssen. Das belegt auch eine aktuelle Studie eines Teams der Abteilung Innere Medizin 3 (Nephrologie und Dialyse) am Landeskrankenhaus Feldkirch, das es genauer wissen wollte und nachgeforscht hat, ob und wie sehr die Pandemie Vorarlbergs Dialysepatienten nicht nur körperlich, sondern auch emotional belastet.

Im Durchschnitt werden laut LKH in Vorarlberg rund 200 Menschen in den drei Dialysestationen des Landes behandelt. In Nenzing und Bregenz befinden sich zwei private Außenstellen, die von den Spezialisten des Referenzzentrums am LKH Feldkirch mitbetreut werden. Die Patienten kommen drei Mal in der Woche für jeweils vier Stunden. „Bei der Dialyse wird eine Teilmenge des Blutes aus dem Körper geleitet“, erläutert Oberarzt Emanuel Zitt. „Über einen Filter werden Giftstoffe, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden, ausgewaschen. Das gereinigte Blut wird wieder zurückgeleitet.“ Gesunde Nieren vollziehen diesen maschinell nachgemachten Schritt mit jedem Herzschlag. „Zu 100 Prozent ersetzen kann man den natürlichen Vorgang nicht, aber man kann gut damit leben. Es ist eine Prozedur, die dem Einzelnen viel abverlangt. Nicht nur in Zeiten der Pandemie“, ergänzt der Mediziner.

Isolation unmöglich

Dialysepatienten sind Corona-Hochrisikopatienten. „Aus den europäischen Registerdaten und den ersten Berichten aus Großbritannien haben wir früh gewusst: Menschen mit Nierenerkrankungen, besonders Transplantierte und Dialysepatienten, tragen das höchste Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken. Und: Der Funktionszustand des Immunsystems bei SARS-CoV-2 spielt eine Rolle“, blickt Zitt zurück. Die Immun-
abwehr bei Dialysepatienten ist geschwächt. Dazu kommt, dass eine völlige Isolation während eines Lockdowns unmöglich ist. „Die Dialyse ist für unsere Patienten ein Muss. Sie müssen aufgrund dieser lebensnotwenigen Behandlung Kontakt mit anderen Menschen haben“, unterstreicht der Facharzt. Aufklärung sei deshalb umso wichtiger. Neben den allgemeinen Maßnahmen wurde daher in den Hochphasen der Pandemie etwa bei den Sammeltaxifahrten nur mehr zwei statt wie bisher sechs Personen zugelassen. „Das hat bestens funktioniert.“ Neben all dem Wissen um Risiko und Schutz sind dem Team in Feldkirch allerdings wichtige Aspekte in der medialen und wissenschaftlichen Information zu kurz gekommen: „Es ging kaum darum, wie die Patienten damit zurechtkommen“, kritisiert Emanuel Zitt. „Dieses Thema ist lange zu wenig zur Sprache gekommen. Infektionszahlen, Inzidenzen, Beatmungsplätze. Kaum jemand hat berichtet, wie der Mensch dahinter das alles verkraftet. Deshalb haben wir nachgefragt.“ Für die kleine Studie wurde ein Fragebogen mit 22 Fragen erarbeitet. Die Auswertung der knapp 150 ausgefüllten Fragebogen hat auch bei internationalen Fachmagazinen Interesse geweckt. Die Quintessenz: Vorarlbergs Dialysepatienten haben sich kaum von Hysterie und Panik anstecken lassen. „Die Gelassenheit führen wir auf eine Mischung aus Alter, Lebenserfahrung und dem Gefühl, gut aufgehoben zu sein, zurück“, bilanziert Zitt. „Die Patienten haben sich zwar Sorgen über eine mögliche Infektion gemacht, aber nur ein Drittel hat es als einschneidende, zusätzliche Belastung empfunden. Die Menschen haben die Dialyse während der Pandemie sogar als Abwechslung erlebt, als Möglichkeit, den eigenen vier Wänden zu entfliehen.“ Neben dem dem Pflege- und Ärzteteam haben auch Mitpatienten laut Studie eine bedeutende Rolle gespielt. Die teils strengen Sicherheitsauflagen auf der Dialysestation wurden von den Patienten als sehr positiv betrachtet und mitgetragen.

Gute Antikörperantwort

Per August 2021 sind in Vorarlberg 33 Dialysepatienten an Corona erkrankt, vier sind verstorben. Vollständig Geimpfte sind nicht erkrankt. Die Dialysepatienten haben laut Zitt auf den mRNA-Impfstoff sehr gut angesprochen: „Normalerweise ist die Reaktion unserer Patienten auf Impfungen gering. Die Immunabwehr ist ja eingeschränkt.“ Die Antikörperantwort auf die Corona-Impfung sei indes sehr gut ausgefallen: 98 Prozent, also so gut wie alle, haben demnach mit Antikörpern reagiert. Bei einer Hepatitis-B-Impfung sind es rund 50 bis 60 Prozent.

„Die Menschen haben die Dialyse während der Pandemie als Abwechslung erlebt.“

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.