Neue Stoßdämpfer für Gelenke

Gesund / 08.10.2021 • 12:23 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
So sehen die Zellkulturen im 3D-Format aus. CO.DON
So sehen die Zellkulturen im 3D-Format aus. CO.DON

Gute Erfolge nach Knorpelzelltransplantationen am LKH Feldkirch.

Feldkirch Seit 2015 werden am LKH Feldkirch Knorpelzelltransplantationen auch routinemäßig durchgeführt. Die noch recht junge Behandlungsmethode gilt vor allem bei jüngeren Patienten und Sportlern als besonders erfolgsversprechend. Gelenksprobleme – derzeit noch überwiegend an Knie- und Sprunggelenken – können mit minimalen Eingriffen langfristig behoben werden. „Vorarlberg ist in diesem Bereich sehr privilegiert“, betont Florian Obwegeser, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie, und ergänzt: „Wir haben in Feldkirch ein eigenes Knorpelzentrum, in dem wir sämtliche Therapiemöglichkeiten wie Meniskus- und Knorpeltransplantationen anbieten können.“ Gemeinsam mit dem Sport-Team unter Leitung von Primar René El Attal führt er rund 40 Knorpelzelltransplantationen pro Jahr durch, mit durchwegs erfolgreichen Resultaten.

Defekter Knorpel heilt nicht selbst

Nur die wenigsten Knorpelschäden entstehen bei Unfällen. Die meisten Defekte bilden sich aufgrund von Abnützung, etwa im Freizeit- oder Leistungssport. Die häufigsten Begleiterkrankungen sind instabile Bänder, die reißen oder Kniescheiben, die aus ihrem Platz „herausspicken“. „In 60 Prozent aller Gelenksspiegelungen finden wir Knorpelschäden, und die muss man auch als solche behandeln. Denn leider heilt ein defekter Knorpel nicht von selbst wieder“, erklärt der Fachmann. Der Knorpel hat nämlich keine Blutgefäße und Nerven, er kann sich deshalb nicht regenerieren oder neu wachsen.

Hyaluronsäure fürs Knie

Die Mediziner haben mehrere Möglichkeiten, den menschlichen Stoßdämpfer zu reparieren. Die Wahl der Methode hängt auch davon ab, wie groß der Schaden bereits ist. In der Vergangenheit sind kleinere Defekte überwiegend durch sogenanntes „Mikrofrakturieren“ ausgeglichen worden. Dabei ist ein Teil des Knorpels entfernt und ein Loch in den Knochen gebohrt worden: „Dadurch kann sich Narbengewebe aus Stammzellen bilden“, erklärt Florian Obwegeser. „Leider ist bei dieser Methode nach rund zwei Jahren wieder eine Behandlung nötig, denn auch das Narbengewebe nützt sich wieder ab.“ Mittlerweile kommen aber Ersatzstoffe zur Anwendung, die statt des Knorpels eingesetzt werden, beispielsweise verfestigte Hyaluronsäure oder Kollagenmembrane.

Körpereigene Zellen

Bei größeren Schäden haben die Orthopäden und Unfallchirurgen am LKH Feldkirch seit einigen Jahren gute Erfolge mit Knorpelzelltransplantationen: „In einem kleinen, rund zehnminütigen Eingriff nehmen wir an einer Stelle, an der es nicht stört, Knorpelzellen heraus. Die schicken wir dann an eines der beiden Zelllabore in Wels und Berlin.“ Nach Angaben von Obwegeser werden dort im Reagenzglas aus rund 400.000 Knorpelzellen bis zu drei Millionen neue gezüchtet. Angeregt wird die Zellteilung durch köpereigene Wachstumshormone. Nach rund sechs Wochen können die gezüchteten Zellen in einer zweiten Operation an der geschädigten Stelle eingesetzt werden. Die Patienten bleiben zwei bis drei Tage stationär im Krankenhaus. In weiteren rund sechs Wochen bildet sich dann der neue Knorpel. Während dieser Zeit entlasten Krücken den Bewegungsapparat.

Danach werden Beweglichkeit und Kraft mittels Physiotherapie ganz langsam gesteigert: „Die meisten Patienten können nach etwa drei Monaten wieder mit ersten, gelenkschonenden Sportarten wie Radfahren und Schwimmen beginnen. Ziel ist eine langsame und schrittweise, dafür aber vollständige Wiederherstellung.“ Generell kommen für gelenks-
erhaltende chirurgische Eingriffe eher jüngere Patienten im Alter zwischen 16 und 55 Jahren in Frage. Gerade sehr junge Menschen profitieren davon, wenn sie sich nicht schon früh ein künstliches Gelenk implantieren lassen müssen.

„In einem Reagenzglas werden aus 400.000 Knorpelzellen bis zu drei Millionen neue gezüchtet.“

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