Freiheit
Das langgezogene Uhhhhhhhh schoss ungebremst vom Wohn- hinauf ins Badezimmer. Es klang markerschütternd und hätte, so es ihn gäbe, wohl auch den Mann im Mond aus dem Schlaf geholt. Ich erstarrte kurz. Was war da los? War etwas mit dem Hund? Der schien an diesem Tag nämlich ziemlich unpässlich. Magen-Darm, vermuteten wir. Ich war gerade im Begriff, die Treppe hinunterzustürmen, als mir meine Tochter mit einem Wisch in der Hand entgegenkam, den sie munter über ihrem Kopf schwenkte. „Ich bin frei, frei!“, jubelte sie. Nach zehn Tagen Quarantäne, die ihr eine Covid-19-Infektion eingebrockt hatte, kam ihr der endlich negative PCR-Test wie eine Entlassung aus einem Käfig vor. Dabei verfügen wir über ein Haus mit Garten, haben also mehr Raum, um uns die Füße zu vertreten, als viele andere Familien. Zu wissen, dass man die Haustüre nicht einfach hinter sich zuschlagen und dann draußen tun und lassen kann, was man möchte, ist jedoch noch einmal etwas anderes. Auf jeden Fall hat meine Tochter gleich zwei ausgiebige Spaziergänge unternommen.
Es ist ein vergleichsweise kleines Stück Freiheit, das wir aufgeben müssen, wenn uns das Virus heimsucht. Vor allem aber handelt es sich um eine nur kurze Zeitspanne, wiewohl sie einem oft unendlich erscheint. Millionen Menschen weltweit leben in Zwängen, aus denen es kein Entrinnen gibt, weder nach zehn Tagen noch sonst irgendwann. Auch ganz in der Nähe halten machtgierige Politiker das Streichholz wieder nahe an der Lunte. Ohne Rücksicht auf die Bevölkerung, die vermutlich auch nur eines möchte: Frieden und Freiheit. Daran sollten wir denken, wenn wir uns wieder einmal über pandemiebedingte Einschränkungen echauffieren. Da ist zumindest die Chance auf ein Ende gegeben.
Marlies Mohr
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