Dem Sterben Zeit und Raum geben

Palliativstation in Schulen. Pilotprojekt erfolgreich gestartet.
Hohenems Der Tod gehört zum Leben: Schnell ausgesprochen und meist ebenso schnell wieder verdrängt. Für Andrea Moosbrugger (29) ist es mehr als nur eine dahingesagte Bemerkung. Als diplomierte Pflegefachkraft auf der Palliativstation im Landeskrankenhaus Hohenems kommt sie ständig mit dem Sterben in Berührung. Sie hat auch als Kind noch erlebt, dass Angehörige oder Nachbarn vor der Beerdigung im Haus aufgebahrt wurden. Das hat die junge Frau aus Egg geprägt und ihr die Angst vor diesem schweren Thema genommen. Ihre Erfahrungen gibt Andrea Moosbrugger jetzt auch in einem besonderen Projekt weiter.
Hoffen auf Fortsetzung
Gemeinsam mit dem Leiter der Palliativstation, Oberarzt Otto Gehmacher, ist sie in Schulen im Einsatz, um Jugendlichen die vielfältigen Möglichkeiten der Palliativbetreuung näherzubringen und ihnen zu vermitteln, „dass Krankheit nicht immer nur Leid bedeutet, sondern auch die Chance auf wertvolle Begegnungen ermöglicht“. Seit dem Start von „Palliative Care goes school“ im März haben sich schon rund 30 AHS-Klassen mit mehr als 550 Schülerinnen und Schülern beteiligt. Im Mai endet der von der FH Vorarlberg wissenschaftlich begleitete Pilot. „Wir hoffen auf eine Fortsetzung im Herbst“, sagt Andrea Moosbrugger. Finanziert wird die Initiative von der „Gesellschaft zur Unterstützung von Palliative Care in Vorarlberg“, getragen von drei Ärztinnen und Ärzten sowie fünf diplomierten Pflegefachkräften.
In Aufklärung investieren
Die Idee zu diesem Vorhaben kam von Otto Gehmacher. Mit einer der Gründe war das neue Sterbehilfegesetz. „Wir wollen mehr in die Aufklärung investierten“, betont Moosbrugger als Projektleiterin. Gerade junge Leute würden nämlich oft ausgesperrt von Tod und Sterben. Im Fokus der Präsentationen steht die Arbeit auf der Palliativstation. „Wir geben Einblicke in die Palliative Care und was sie leisten kann“, konkretisiert Andrea Moosbrugger. Dahinter steht auch das Bestreben, Palliative Care als Alternative zur Sterbehilfe zu positionieren. Ebenso will sie mit dem Vorurteil aufräumen, die Palliativstation sei eine Sterbestation. „Das ist keineswegs der Fall“, betont Moosbrugger, dass 61 Prozent der Patienten wieder nach Hause entlassen werden. Gleichzeitig steht der Wunsch über allem, junge Menschen vielleicht für einen sozialen Beruf begeistern zu können.
Interessierte Schüler
Andrea Moosbrugger selbst ist vom Interesse der Schülerinnen und Schüler angetan, von ihren reflektierten und tiefgründigen Fragen. „Die Auseinandersetzung mit den Geschichten unserer Patienten berührt. Gerade dieser Praxisbezug wird sehr gut aufgenommen, aber man spürt bei den Fragen auch eine gewisse Berührungsangst“, erzählt Moosbrugger von ihren Erfahrungen. Genau die will das Projektteam den Jugendlichen nehmen und aufzeigen, dass auch schwer kranke Patienten gerne leben, sich an kleinen Dingen freuen und Humor haben. Andrea Moosbrugger erlebt das tagtäglich. Seit bald vier Jahren arbeitet sie nun schon auf der Palliativstation.
Nach dem letzten Praktikum, das sie dort absolvierte, wollte sie bleiben. Sie spricht von einer zwar auch emotional oft herausfordernden, aber sehr bereichernden Tätigkeit in einem Umfeld, in dem natürliches Sterben noch einen Platz hat. Als größten Lohn bezeichnet die naturbegeisterte Bregenzerwälderin die Dankbarkeit und Wertschätzung, die ihnen von Patienten und Angehörigen entgegengebracht wird: „Das gibt einem viel.“ VN-MM

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