Neubeginn für ukrainische Zahnärztinnen

Das Institut Huemer in Wolfurt half auf besondere Weise.
wolfurt Die Rettung aus der ukrainischen Kriegshölle kam per Facebook. Das Institut Dr. Huemer in Wolfurt hatte auf diesem Weg nach zwei Zahnärzten gesucht. „Wir wollten Menschen einen Ausweg aus der schrecklichen Situation, in der sie sich befanden, anbieten“, berichtet Breno Marquart. Der Aufruf fiel auf fruchtbaren Boden. Viele wollten die Chance eines Neuanfangs nützen. Bekommen haben sie Yuliya Tyshchenko (41) und Inna Melnyk (26). Seit 12. Mai sind die Frauen in Vorarlberg, und irgendwie können sie ihr Glück immer noch kaum fassen. „Es ist so friedlich und schön hier, und die Menschen sind so freundlich“, fühlen sich Yuliya und Inna bereits angekommen. Auch die Patientinnen und Patienten haben die neuen Mitarbeiterinnen des Instituts bereits fest in ihr Herz geschlossen. „Wir sind so dankbar dafür und werden immer unser Bestes geben.“ Es ist ein Versprechen, das aus tiefster Seele kommt.
Angst und Schrecken
Möglich gemacht haben dieses Projekt Bianca Huemer und Vera Huemer-Marquart. Die Auswahl der Interessenten übernahm Verwaltungsdirektor Edgar Fröwis. Die Interviews wurden online durchgeführt. „Ich konnte es fast nicht glauben, als die Zusage kam“, erzählt Yuliya Tyshchenko. Bis zu ihrem Umzug nach Vorarlberg lebte sie in Khezson, im Süden der Ukraine. Schon in den ersten Kriegstagen besetzten russische Militärs ihre Heimatstadt, inzwischen haben sie sie eingenommen. Zwei Monate lebte Yuliya in Angst und Schrecken, wagte sich nicht einmal mehr auf die Straße. „Das wäre zu gefährlich gewesen.“ Die Reise in ein neues Leben erwies sich ebenfalls als beschwerlich. Drei Tage dauerte die Fahrt mit dem Bus nach Belize in Georgien. Immer wieder wurden sie von russischen Soldaten kontrolliert und Leibesvisitationen unterzogen. In Belize konnte Yuliya endlich in das Flugzeug nach Memmingen einsteigen. Dass es noch friedliche Plätze gibt: Sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt.
Den zweiten Krieg erlebt
Inna Melnyk ist in Lugansk geboren. Trotz ihrer noch jungen Jahre erlebt sie bereits den zweiten Krieg. 2014 wurde ihre Heimatregion schon einmal zum Brandherd. Inna ist ehrlich: „Ich habe genug, ich möchte endlich ein normales Leben führen.“ Das Medizinstudium absolvierte sie in Kiew. Von dort organisierte sie auch ihre Ausreise. Sie fuhr nach Cheznivtsy, das in der Nähe der rumänischen Grenze liegt. Von dort brachte sie ihre Mutter ins Land, wo Inna ebenfalls einen Flug nach Memmingen nahm. „Wir können gar nicht beschreiben, wie froh wir sind, hier zu sein und in einem so tollen Team arbeiten zu dürfen“, sagen Yuliya und Inna. Die Freude ist den Frauen anzusehen. Ihre Augen leuchten, ihr Lächeln kommt von Herzen. Alle unternehmen alles, damit sich die Ukrainerinnen in Vorarlberg wie zu Hause fühlen. „Edgar ist wie ein Vater für uns“, flicht Yuliya ein. Aber auch die Kolleginnen und Kollegen bemühen sich, den Frauen die Integration zu erleichtern. Und integrieren wollen sich Inna und Yuliya. Sie schätzen es zudem, auf zahnmedizinisch hohem Niveau arbeiten zu dürfen. „Das ist sehr interessant für uns“, merkt Yuliya an.
Institut bezahlt Deutschkurs
Noch ist ihre Umgangssprache vorwiegend Englisch. Doch Inna und Yuliya wissen um die Notwendigkeit, auch Deutsch zu lernen. Den Kurs dafür bezahlt ihnen das Institut. Auch das Team unterstützt, indem Deutsch gesprochen wird. Auf diese Weise verfestigt sich das Gelernte schneller. Einiges an Wortschatz ist schon da. „Bitte kommen Sie mit“ oder „Bitte spülen“ oder „Wie geht es“ sind Sätze, die den Zahnärztinnen bereits flüssig über die Lippen kommen. Sie gehen in ihrer neuen Aufgabe sichtlich auf. Ob sie, wenn denn der unselige Krieg in ihrer Heimat vorbei ist, wieder dorthin zurückkehren? Die Frage stellt sich für die Frauen derzeit nicht. „Wir fühlen uns wohl hier“, sagen sie bestimmt. Und planen lasse sich ohnehin nichts, weil niemand wisse, wie lange der Krieg dauere und wie es danach in der Ukraine weitergehe.
Frieden und Freiheit
Inna Melnyk und Yuliya Tyshchenko sind jetzt damit beschäftigt, sich in einem neuen Land und einem neuen Leben einzurichten. Sie wissen die Hilfsbereitschaft, die ihnen entgegengebracht wird, zu schätzen und auch, ein Dasein in Frieden und Freiheit führen zu können. Den Kontakt zur Heimat halten sie über Eltern, Verwandte und Freunde aufrecht. VN-MM

