Nährstoff-Cocktail und Sauerstoff

Gesund / 21.10.2022 • 11:35 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Auf dem Computer kann Andreas Werle die schlechte Durchblutung der kleinen Haargefäße darstellen.vn/mm
Auf dem Computer kann Andreas Werle die schlechte Durchblutung der kleinen Haargefäße darstellen.vn/mm

Mit dieser Therapie hilft Andreas Werle Long-Covid-Patienten.

Sulz Long Covid ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Deshalb ist es für Patienten mitunter schwierig, die für sie passende Behandlung zu finden. So erging es auch Stefan Ebenhoch. Nach einer Coronainfektion im November 2020 kam der 37-Jährige nicht mehr so richtig auf die Beine. „Ich habe meinen schlechten Gesundheitszustand lange auf die Arbeit geschoben“, erzählt der IT-Fachmann. Ein paar Monate später fiel er einfach um. Das war der Beginn einer „wahren Ärzteralley“, wie es Stefan Ebenhoch formuliert. Durch Zufall wurde er auf eine Therapie aufmerksam, die der Sulner Internist Andreas Werle bei Patienten mit anhaltender Müdigkeit (Fatigue), einem Symptom, das bei Covid-19-Betroffenen häufig als weitergehende Folge auftritt, anwendet. Er sorgt mit Nährstoffen und Sauerstoff dafür, dass die Haargefäße (Kappilare) wieder besser durchblutet werden. Er konnte auf diese Weise schon zahlreichen Long-Covid-Patienten helfen. „Offenbar ist die Innenauskleidung dieser Gefäße durch das Virus oder die Antikörper nach einer Virusinfektion angeschwollen, die Blutzellen kommen nicht mehr durch“, erklärt Werle seine medizinische Sicht der Dinge.

Unterversorgte Haargefäße

Stefan Ebenhoch hat die Behandlung ebenfalls eine deutliche Linderung seiner Beschwerden gebracht. Da das Fatigue-Syndrom inzwischen aber chronisch geworden ist, wird er sich einer zweiten Therapierunde unterziehen. Andreas Werle arbeitet in seiner internistischen Praxis schon lange mit Fatigue-Patienten. Ebenso weiß er, wie diffus die Krankheitsbilder bei Long Covid sein können. Hinter der damit oft einhergehenden Müdigkeit ortet der Sportmediziner ein Durchblutungsproblem. „Long-Covid-Patienten haben zwar kein zähes Blut, es schafft es aber trotzdem nicht durch die Kappilare“, erläutert Werle. Das heißt, sie sind unterversorgt und schwellen an. Um das bildlich darzustellen, hat sich der Arzt ein Auflichtmikroskop zugelegt, mit dem sich die Durchblutung der Haargefäße 1000-fach vergrößert darstellen lässt. Tatsächlich wird bei Fatigue-Patienten eine massive Einschränkung der Durchblutung der Kapillare sichtbar. Das therapeutische Ziel ist es, die unterversorgten geschwollenen Endothelien mit Sauerstoff und Nährstoffen quasi zu verwöhnen. „Sie schwellen ab und geben den Weg für das Blut wieder frei“, ergänzt Werle.

Schweißtreibendes Radeln

Dafür werden die Patienten ordentlich gefordert. Zuerst wird ihnen per Infusion eine Nährstofflösung zugeführt, dann müssen sie auf dem Ergometer 15 Minuten kräftig in die Pedale treten. Während der schweißtreibenden Radlerei atmen sie reinen Sauerstoff ein. Die Behandlung dauert insgesamt fünf Tage. „Viele der Long Covid-Patienten sind nach einer Woche Therapie in einer deutlich besseren Verfassung. Sie können trainieren und ein normales Leben führen“, berichtet Andreas Werle, der sein Angebot als eine Möglichkeit der Hilfe sieht. Die Patienten, von denen der älteste 75 war, seien sehr motiviert, weil sie schon viele andere Versuche hinter sich hätten.

Zweifel an sich selbst

Stefan Ebenhoch kann davon ein Lied singen. „Neurologe, Internist, HNO-Arzt, Röntgen, MRT, CT und Spitalsaufenthalte“, listet er auf. Doch Schwindel, Kopfschmerzen, Sehschwäche, Gefühlsverlust in den Extremitäten und bleierne Erschöpfung blieben. Er konnte nicht mehr Autofahren, kaum noch gehen oder sich konzentrieren. „Als ob das System überlastet wäre“, beschreibt Ebenhoch seinen Zustand. Als zu guter Letzt im Raum stand, die Beschwerden könnten psychosomatischer Natur sein, begann er sogar selbst, an sich zu zweifeln. Über einen guten Freund kam er schließlich in die Praxis von Andreas Werle und fühlte sich, wie er sagt „endlich ernstgenommen“. Inzwischen gehen sich kurze Spaziergänge mit dem Hund wieder aus, und die Arbeitsfähigkeit steigt. Stefan Ebenhoch blickt wieder zuversichtlicher in die Zukunft. VN-MM

„Ich konnte nicht mehr mit dem Auto fahren und mich kaum noch konzentrieren.“

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