Kaum Schnee: Wie es derzeit auf der Unfallambulanz zugeht

Gesund / 06.01.2023 • 15:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Kaum Schnee: Wie es derzeit auf der Unfallambulanz zugeht
VN/Rauch

Verletzte im Minutentakt: Reportage aus der Unfallambulanz des Landeskrankenhauses Bludenz.

Bludenz Der Gang erscheint endlos lang. Vor den Behandlungszimmern sitzen jene, die die Skipisten unsanft abgeworfen haben. Rotkreuz-Sanitäter schieben eine Frau herein. Eine Hand in der Schlinge, der Blick apathisch, die Haut fahl. Ein Brummen ist zu hören. Der Rettungshubschrauber hebt wieder ab. So geht es Tag für Tag.

„Am Vortag war der Gang mit Verletzten voll“, erzählt Philipp Bichay, geschäftsführender Oberarzt an der Unfallabteilung im Landeskrankenhaus Bludenz. Von neun Uhr morgens bis 23 Uhr abends mussten Opfer von Wintersportunfällen versorgt werden. Bichay berichtet von derzeit 100 bis 120 Frischverletzten täglich und spricht dennoch von Normalbetrieb. Vor den Pandemiejahren sei es um diese Zeit nicht anders gewesen.

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Die Unfallchirurgie am LKH Bludenz ist voll ausgelastet. <span class="copyright">VN/Rauch</span>
Die Unfallchirurgie am LKH Bludenz ist voll ausgelastet. VN/Rauch

Mangelnde Fitness

Die schlechten Schneeverhältnisse zeitigen allerdings deutlich schwerwiegendere Folgen. Fast alles, was brechen kann, bricht: Schienbein- und Oberarmköpfe, Handgelenke, Oberschenkel, Rippen, Beckenknochen. Dazu kommen gerissene Kreuzbänder, Wirbelsäulenverletzungen und Schädel-Hirn-Traumen. Neben den ungünstigen äußeren Gegebenheiten wird häufig auch mangelnde Fitness zum Spielverderber. „Das Können bei vielen Skifahrern lässt oft zu wünschen übrig“, formuliert es Andreas Wehinger, der seit 16 Jahren als Gipsassistent im LKH Bludenz arbeitet, vorsichtig. Er und sein Kollege, Michael Uschnig, legen aktuell jeden Tag 30 bis 40 Gipsverbände an. Was ihm auch aufgefallen ist: „Selbst bei Schlechtwetter ist nicht weniger los.“  

Jaenette aus Gaschurn ist seit Wochenanfang Patientin am LKH Bludenz. Ein Zusammenprall auf der Piste führte unter anderen zu mehreren verletzten Rippen. <span class="copyright">VN/Rauch</span>
Jaenette aus Gaschurn ist seit Wochenanfang Patientin am LKH Bludenz. Ein Zusammenprall auf der Piste führte unter anderen zu mehreren verletzten Rippen. VN/Rauch

Kapazitäten an der Grenze

Philipp Bichay rüstet sein Team vor jeder Wintersaison auf. Im Einsatz sind vier Fachärzte, vier bis fünf Assistenz- und Turnusärzte sowie Pflegepersonal. Zwei Ärzte operieren durchgehend, ein Arzt versieht Dienst auf der Station, die anderen kümmern sich in der Ambulanz um die Patienten. „Wir sind eingespielt. Ist Not am Mann, kommen auch jene herein, die frei haben“, kann sich Bichay auf alle verlassen. Im Gegensatz dazu ist es nicht möglich, alle mit Blessuren zu operieren. „Dafür reichen die Kapazitäten nicht aus“, erklärt der Unfallchirurg. Das gilt sowohl für den OP als auch die 30-Betten-Station. Notfallmäßig werde jeder operiert, betont Philipp Bichay. In anderen Fällen wird der Patient erstversorgt und nach Hause geschickt, wo die weitere Behandlung erfolgt. „Anders geht es nicht.“ Um Platz zu schaffen, werden auch stationäre Patienten sobald als möglich entlassen. Neben verletzten Wintersportlern benötigten nämlich noch andere Menschen medizinische Aufmerksamkeit. „Etwa solche, die zu Kontrollen kommen“, ergänzt Andreas Wehinger die Ausführungen des Arztes.

Andreas Wehinger im Gipszimmer. Am Donnerstagmittag hatte er Zeit, durchzuatmen: Die Termine vom Morgen waren abgearbeitet, die frischeingetroffenen Patienten noch nicht zurück vom Röntgen. <span class="copyright">VN/Rauch</span>
Andreas Wehinger im Gipszimmer. Am Donnerstagmittag hatte er Zeit, durchzuatmen: Die Termine vom Morgen waren abgearbeitet, die frischeingetroffenen Patienten noch nicht zurück vom Röntgen. VN/Rauch
Auf dem Gang warten die Patienten nach ihrem Eintreffen, bis die Ärzte Zeit haben.<span class="copyright"> VN/Rauch</span>
Auf dem Gang warten die Patienten nach ihrem Eintreffen, bis die Ärzte Zeit haben. VN/Rauch

Keine Verschnaufpause

Jeanette hat solche vor sich. Noch liegt die 56-Jährige allerdings auf der Unfallstation. Bei einer Kollision auf der Piste hat sie sich Serienrippenbrüche und eine Beckenfraktur zugezogen. Im Gesicht hat der Unfall ebenfalls Spuren hinterlassen, aber Jeanette lacht schon wieder. „Ich hoffe, ich kann bald nach Hause“, sagt sie und sieht Philipp Bichay bittend an. „Es sieht gut aus“, lässt er die Patientin wissen. Luis Galehr kommt aus der Mittagspause. Seit 25 Jahren ist er Stationsleiter auf der Unfallabteilung. Noch ein paar Monate, dann geht er in Pension. Auch er spricht von Normalbetrieb, aber: „Die Wintersportler, die jetzt hereinkommen, sind wirklich schwerstverletzt.“ Beim Gros handelt es sich um Touristen. „Einheimische gehen derzeit kaum Skifahren“, weiß Bichay. Verschnaufpause wird es für die Unfallärzte aber auch nach Ende der Weihnachtsferien nicht geben. Dann gilt es, die geplanten Eingriffe abzuarbeiten. Normalbetrieb eben.

Mitarbeit: Matthias Rauch

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Die moderne Technik macht es möglich, jeden Bruch bis ins Detail festzuhalten für die Diagnose und Behandlung.<span class="copyright"> VN/Rauch</span>
Die moderne Technik macht es möglich, jeden Bruch bis ins Detail festzuhalten für die Diagnose und Behandlung. VN/Rauch

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