Entschärftes Virus erlaubt Resistenzbeobachtung

Gesund / 03.02.2023 • 11:10 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das Coronavirus hielt die Mitarbeitenden in Laboren in ganz Österreich monatelang auf Trab. vn/steurer
Das Coronavirus hielt die Mitarbeitenden in Laboren in ganz Österreich monatelang auf Trab. vn/steurer

Innsbrucker Team entwickelt Modell zur Vorhersage resistenter Coronaviren.

Innsbruck Das Coronamedikament Paxlovid wird bisher erfolgreich zur Behandlung von Hochrisikopatienten eingesetzt. Forscherinnen und Forscher um Dorothee von Laer und ihrem Doktoranden Emmanuel Heilmann am Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck entwickelten am Beispiel von Paxlovid ein einzigartiges Modell, das unter sicheren Bedingungen die Prognose von Resistenzen gegen antivirale Medikamente erlaubt.

Früher oder später werden Krankheitserreger resistent gegen Medikamente. Dieses Problem bereitet Wissenschaftlern auf der ganzen Welt Kopfzerbrechen. Forschern um Dorothee von Laer und ihrem Doktoranden Emmanuel Heilmann am Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck haben nun ein ungefährliches und einfach umsetzbares Modell entwickelt, das es ermöglicht, Virusresistenzen vorherzusagen. Anhand des neuen Systems ist es den Experten gelungen, Mutationen zu identifizieren, welche künftig die Wirksamkeit von Nirmatrelvir beeinträchtigen könnten. Der Wirkstoff ist Hauptbestandteil des Medikaments Paxlovid, das zur Behandlung von Coronainfektionen bei Hochrisikopatienten eingesetzt wird. Das Fachjournal Science Translational Medicine berichtete über die Errungenschaft.

Es ist gefährlich, mit dem Coronavirus zu hantieren. „Selbst im Hochsicherheitslabor wäre es aus ethischen und sicherheitstechnischen Gründen bedenklich, so genannte Gain-of-Function-Experimente durchzuführen. Wenn man einem Organismus etwas Neues beibringt, in unserem Fall eine Resistenz, dann existieren folglich Viren, die resistent sind. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber es besteht das Risiko, dass diese neuen, gefährlichen Viren aus dem Labor auskommen könnten“, erklärt Heilmann den Hintergrund für die Entwicklung des Untersuchungsmodells.

Szenarien

Eine Protease ist ein Enzym, das Proteine spaltet. Im Fall von SARS-CoV-2 ist die Protease ein wichtiger Virusbestandteil, der es den Erregern erst ermöglicht, sich zu vermehren. „Wenn man die Protease hemmt, funktioniert das Virus nicht mehr. Das gilt für HIV, Hepatitis C und auch für Coronaviren“, erläutert Institutsleiterin von Laer, die als Letztautorin der Studie firmiert. Im Zuge seiner Doktorarbeit hat Heilmann ein System erarbeitet, um die Resistenzentwicklung gegen Proteasehemmer wie Paxlovid mithilfe des sicheren, therapeutischen Vesikulären Stomatitis Virus (VSV) zu beobachten: Er baute die Protease von Sars-Cov-2 in VSV ein. Mit dem neu entstandenen, harmlosen Ersatzvirus können die Forscher in der Zellkultur nun verschiedene Szenarien der Virusentwicklung bei Paxlovid-Verabreichung untersuchen. In der vorliegenden Arbeit ist es dem Innsbrucker Team gelungen, eine ganze Reihe von Mutationen zu identifizieren, die künftig zu Resistenzen führen könnten. Laut von Laer sei dies in absehbarer Zeit jedoch unwahrscheinlich. „Paxlovid ist ein sehr wirksames Mittel, das 90 Prozent der Krankenhauseinweisungen verhindern kann“, sagt die Virologin.

Modelle zur Vorhersage von Resistenzen sind von großem Nutzen: Die Ergebnisse des Mutationsmodells können herangezogen werden, um mit globalen Virus-Datenbanken abzugleichen, ob die im Labor festgestellte Mutation bereits irgendwo real kursiert oder nicht. Das System kann klinisch genutzt werden, um die Wirksamkeit vorhandener Proteasehemmer zu testen und das geeignete Medikament für die Patienten auszuwählen. Zudem dienen Resistenz-Vorhersagemodelle auch den  Pharmaunternehmen beim Design neuer Wirkstoffe, um bekannten Resistenzproblemen auszuweichen.

Einfache Handhabung

„Ein Modell wie dieses, mit dem man unter relativ sicheren Bedingungen Resistenzuntersuchungen machen kann, gab es zum Coronavirus bisher noch nicht“, sagt von Laer. Neben der einfachen Handhabung seien dessen breite Anwendungsmöglichkeiten ein großer Vorteil. So möchte Heilmann das Prinzip künftig auch auf MERS und Medikamente gegen die MERS-Protease anwenden.

„Wenn man die Protease hemmt, funktioniert das Virus nicht mehr.“

„Es ist zwar unwahrscheinlich, aber es könnten neue Viren aus dem Labor entkommen.“

Entschärftes Virus erlaubt Resistenzbeobachtung

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