Hans Concin

Kommentar

Hans Concin

Schulsystem als frühe Belastung (Teil 1)

Gesund / 24.02.2023 • 11:08 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Das Fehlen einer gemeinsamen Schule über die 4. Klasse hinaus belastet die Gesundheit vieler Kinder, teilweise auch deren Eltern und Lehrer schon in der 3. und besonders in der 4. Schulstufe. Sehr erfahrene Kinderärzte und Kinderpsychiater kritisieren den hohen krankmachenden Leistungsdruck. Auch Eltern wird eine Entscheidung abverlangt, die nichts mit der Reife, Qualifikation und Neigung des Kindes zu tun hat. Außer bei uns und in Deutschland stellt sich dieses Problem nicht: in der gesamten restlichen EU, der Schweiz, im Vereinigten Königreich, USA, Kanada und, und, und … werden die Kinder mindestens bis zur 6. Schulstufe gemeinsam unterrichtet. Haben alle diese Länder ein falsches Schulsystem?

Hat die erdrückende Mehrheit der weltweiten Pädagogen recht, dass es ein Fehler ist, in Österreich die gemeinsame Schule nach der 4. Klasse aufzulösen? Dieses System raubt vielen Kindern das Recht auf Kindheit (Definition), das sie mindestens bis zur 6. Schulstufe haben.

Gesundheit

Aus gesundheitlicher Sicht, und das nicht erst seit und nach Corona, werden viele Kinder, die es am nötigsten hätten, in diesem Schulsystem zu wenig unterstützt und systematisch zurückgelassen. Kinder aus armen und bildungsfernen Familien sind die Opfer dieses Schulsystems. Muss man behindert sein, um nicht zurückgelassen zu werden? Inklusive Pädagogik verlangt, dass sich die Gesellschaft und ihre Strukturen an Menschen mit Behinderung anpassen. Genügt es nicht, aus sozioökonomisch benachteiligten Familien zu kommen, um nicht zurückgelassen zu werden?

Die Wissenschaft hat schon lange Armut und/oder Bildungsferne als die größten Gefahren für die Gesundheit identifiziert. Anstatt diese zunehmenden Risiken im Schulsystem abzufedern, werden diese Probleme befeuert und systemgewollt über Generationen erhalten. Bildung und Wohlstand werden in Österreich vererbt und somit auch Gesundheit. Wohlhabende gebildete Menschen haben weltweit eine etliche Jahre höhere Lebenserwartung als Arme und weniger Gebildete, und sie können ihre Pension viele Jahre länger genießen.

Dieser schwer verrückbare Grundstein für eine psychosoziale, sozioökonomische und gesundheitliche Karriere wird in der Schule gelegt: Unser Schulsystem stärkt systemimmanent die Starken und lässt die Schwachen zurück, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen und trotz hervorragender Lehrer in der Mittelschule.

Österreichs Medizin ist per Gesetz verpflichtet, evidenzbasiert zu praktizieren. Man stelle sich vor, die Politik schreibt den Ärzten vor, nach dem Stand der Wissenschaft von vor über 100 Jahren zu behandeln. Doch genau das passiert in unserem Schulsystem: Es wird nicht auf die erdrückenden wissenschaftlichen Erkenntnisse der Pädagogik reagiert. Selbst sehr renommierte Praktiker, wie ehemalige Gymnasialdirektoren, kritisieren unser System der frühen Trennung. Teil 2 folgt.

„Unser Schulsystem stärkt systemimmanent die Starken und lässt die Schwachen zurück.“

Hans Concin

hans.concin@vn.at

Prim. a. D. Dr. Hans Concin,

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