Fünf Kilo weniger helfen auch

Kniegelenksbeschwerden lassen sich mit verschiedenen Maßnahmen therapieren.
Feldkirch Nicht jedes Knieproblem muss sofort unters Messer. Es gibt andere Maßnahmen, die helfen, etwa eine Gewichtsreduktion. „Schon mit fünf Kilo weniger lassen sich 50 Prozent der Kniegelenksbeschwerden verbessern“, verdeutlichte Oberarzt Florian Obwegeser von der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie im LKH Feldkirch, und ergänzte: „Das sollte eine gute Motivation sein.“ Außerdem könnten 21 Prozent aller Knieprothesen verhindert werden, wenn die Patienten früh genug in Behandlung kämen. Behandlungsbedürftig sind Schäden ab Grad drei, die Symptome machen. Grundsätzlich sollte vor einer Operation aber die konservative Therapie kommen. Sie hat laut Obwegeser speziell in der Akutphase einen hohen Stellenwert.
Dabei geht es um Muskelkräftigung und Stabilisation. „Eine chirurgische Therapie ist nicht immer notwendig, wenn man selbst etwas für seinen Körper tut“, redete Obwegeser der Bewegung anstelle der Operation das Wort, denn: „Je schneller man sich in den Fernsehsessel bequemt, weil das Knie schmerzt, umso schneller wird es schlimmer.“
Ohne Nerven und Blutgefäße
„Knüula künna, wär an Knüller.“ Dieser Satz einer schmerzgeplagten Patientin, die ihm in der Ambulanz gegenübersaß, ist Florian Obwegeser im Gedächtnis haften geblieben, weil „es doch essenziell ist, dass der Patient in jedem Alter wieder Spaß an Bewegung und Freude am Sport finden sollte. Ihn ärgert die Flut an negativen Meldungen über Eingriffe am Knie. Sie würden nicht nur die Patienten verwirren, sondern zuweilen auch die Ärzte. Deshalb sei es gut, dass es solche Vorträge wie das MedKonkret gebe. Der Orthopäde betonte, dass bei fast allen Beschwerden zuerst eine konservative Therapie versucht würde. Da der Knorpel jedoch weder Nerven noch Blutgefäße besitzt, kann er nicht von selber heilen. Im Gegenteil: „Ein bestehender Knorpelschaden wird über die Jahre größer“, erklärte Obwegeser.
Die Kniearthrose ist ein häufiges Problem. Sie betrifft einen Großteil der Bevölkerung. „Leider auch viele junge Leute, wenn sie sportlich aktiv sind“, fügte der Arzt an. Ursachen sind Abnützung, Bänder, die nicht mehr funktionieren, und Achsenfehlstellungen. Oft würde als schnelle Lösung eine Knieprothese ins Spiel gebracht, sei aber speziell bei jungen Patienten nicht immer sinnvoll, verwies Obwegeser auf die Haltbarkeit und die danach eingeschränkte Sportlichkeit: „Von der schwarzen auf die blaue Skipiste ist für viele vermutlich kein zufriedenstellendes Ergebnis.“ Dennoch: „Im Endeffekt lieber Knieprothese als keine Bewegung.“ Was die Anwendung von Schmerzmitteln und Schmerzsalben betrifft, haben alle ihre Berechtigung, zumal Arthrose auch eine Entzündungskomponente hat. Da greifen die Medikamente an. Kortison-Infiltrationen ins Kniegelenk sind in der Akutphase eine Möglichkeit, sollten jedoch nicht zu oft wiederholt werden. „Es gibt bessere Stoffe, beispielsweise Hyaluronsäure“, sagte Florian Obwegeser. Auch die Eigenbluttherapie wirkt als Schmerztherapie gut.
Aus 400.000 ein paar Millionen
Im operativen Bereich ist die Knorpelzelltransplantation eine inzwischen etablierte Methode. Es handelt sich um zwei Eingriffe: Bei der ersten werden die Knorpelzellen entnommen, anschließend im Zelllabor gezüchtet und aus 400.000 ein paar Millionen Zellen gemacht. In einer zweiten OP wird der Knorpel wieder eingebracht. Das Intervall liegt zwischen fünf und sieben Wochen, die Einheilung bis zu einem Jahr. „Ab einer Defektgröße von zwei Quadratzentimetern ist die Knorpelzelltransplantation allen anderen Methoden überlegen, bei größeren Defekten gibt es überhaupt keine Alternative“, unterstrich Florian Obwegeser. Nach 20 Jahren liegt der Erfolg immer noch bei 75 Prozent, die kurzfristigen Ergebnisse zeigen sogar eine Erfolgsrate von bis zu 95 Prozent. „Die Behandlung verschiebt sich immer mehr in Richtung Knorpelzelltransplantation“, zeigte sich der Orthopäde überzeugt. Bis 2040 soll Kniegelenksarthrose sogar heilbar sein, auf Medikamentenbasis oder anderweitig: „Wir sind auf jeden Fall für die Zukunft gerüstet.“
Eigenverantwortlichkeit
Bedeutende Leistungen erbringt auch die Physikalische Medizin und Rehabilitation, wo 19 Physiotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten. Arthur Spapens ist seit 17 Jahren in der Abteilung. „Wir beraten und begleiten die Patienten und versuchen, die Ursachen der Kniebeschwerden zu erforschen“, erläuterte er. Besonders wichtig sei es, den Patienten darüber aufzuklären, warum er die ihm zugeteilten Übungen machen soll. „Versteht er den Grund, ist er eher geneigt, sie durchzuführen“, betonte Spapens die Eigenverantwortlichkeit.
Er hob außerdem den Wert einer guten Muskulatur hervor: „Sie schützt und stabilisiert Gelenke und Knochen, reduziert das Verletzungsrisiko und ist die zentrale Voraussetzung für Gesundheit, Selbstständigkeit und somit Lebensqualität bis ins hohe Alter.“ Nicht zu vergessen: Sport ist, in jeweils angepasster Form versteht sich, keine Frage des Alters.
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