Forscherpower aus Vorarlberg

Gesund / 24.05.2023 • 14:30 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Forscherpower aus Vorarlberg
Sibylle Madlener und Johannes Gojo. madlener

Biologin und Kinderonkologe etablierten an MedUni Wien vielversprechende Diagnosemethoden bei kindlichen Hirntumoren.

Wien Bregenz Götzis Kleines Land, großer Forschergeist: Immer wieder machen Vorarlberger im Zusammenhang mit medizinischen Entwicklungen auch international von sich reden. In diesem Fall sind es die Biologin Sibylle Madlener (44) und der Kinderonkologe Johannes Gojo (37). Sie ist gebürtig aus Götzis, er aus Bregenz. Beide arbeiten an der MedUni Wien, dem größten Zentrum in Österreich für die Behandlung von kindlichen Hirntumoren. Gemeinsam haben sie zwei neue und vielversprechende Methoden zur Verbesserung der Diagnostik auf den Weg gebracht. Wenige Milliliter Blut bzw. Hirnflüssigkeit reichen demnach aus, um eine Diagnose zu stellen, den Verlauf der Tumorerkrankung zu beobachten oder das Vorhandensein eines für die Prognose ungünstigen Markers zu detektieren.

Sibylle Madlener und Johannes Gojo sind mit Leidenschaft bei der Sache. <span class="copyright">Madlener</span>
Sibylle Madlener und Johannes Gojo sind mit Leidenschaft bei der Sache. Madlener

Belastende Bildgebung verringern

Damit könnten die zeitaufwendigen und sehr belastenden bildgebenden Verfahren, die bei kleinen Kindern oft nur unter Vollnarkose möglich sind, bald der Vergangenheit angehören bzw. deutlich reduziert werden, zumal jede Narkose ein Risiko beinhaltet. Die Studienergebnisse wurden unlängst in den Fachjournalen „Acta Neuropathologica“ und „Cancers“ veröffentlicht. Nun soll die Bestätigung in klinischen Studien folgen. Ziel ist es, die neuen Erkenntnisse international auszurollen. „Wir möchten, dass sie von Instituten und Referenzkliniken übernommen werden, damit alle bezüglich Analyse und Diagnostik an einem Strang ziehen“, erklärt Sibylle Madlener im VN-Gespräch.

Sibylle Madlener und Johannes Gojo im Labor. M<span class="copyright">adlener</span>
Sibylle Madlener und Johannes Gojo im Labor. Madlener

Viele Todesfälle

Hirntumore zählen nicht nur zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern, aufgrund ihrer Aggressivität verursachen sie auch die meisten Todesfälle in dieser Altersgruppe. Deshalb machte sich ein Forscherteam um Johannes Gojo auf die Suche nach besseren Therapiemöglichkeiten. Im Fokus standen der vor allem im Kleinkindalter vorkommende „Embryonale Tumor mit mehrschichten Rosetten“ (ETMR) und eine besonders aggressive Form des Medulloblastoms (MB). „Wir behandeln Patienten bis nach Vorarlberg und über Österreich hinaus“, berichtet Johannes Gojo. Er und sein Team wollen durch Forschung modernste Medizin für betroffene Kinder verfügbar machen. Gerade mithilfe der Präzisionsonkologie sei oft noch viel möglich. Die Forschungsarbeit zielt darauf ab, nicht nur im Tumor selbst, sondern schon vorher, nämlich im Blut bzw. in der Gehirnflüssigkeit aussagekräftige Marker aufzuspüren, denn: „Können wir solche bereits im Blut früh nachweisen, können wir engmaschiger untersuchen und verfolgen, ob die Behandlung anspricht oder nicht.“

Schnellere Auswertung

Für die Verlaufskontrolle stand dem Labor das Blut von 10 Patienten zur Verfügung. „Wir konnten sehen, wie hoch der Marker vor und nach der Operation war“, erläutert Sibylle Madlener. So war das sogenannte 517-mikro-RNA-Molekül, das eine wichtige Rolle in der Regulation von Genen spielt und bei Kindern mit ETMR stark verändert ist, nach einem erfolgreichen Eingriff deutlich reduziert. Bei der Entwicklung eines neuen Tumors stieg es wieder an. „Das ist spezifisch für diese Art von Tumor“, konkretisiert Madlener. Mit der Markerbestimmung im Blut oder in der Gehirnflüssigkeit geht auch die Auswertung des Tumormaterials schneller. Die Biologin spricht von einem Zeitrahmen von maximal drei bis vier Stunden. Um neue Methoden zur verbesserten Diagnose und Therapie bei MB zu erforschen, untersuchte das Team Hirnflüssigkeit von betroffenen Kindern. Weisen diese Flüssigbiopsien vermehrt MYC auf, ein Gen, das Zellteilung und Zellwachstum reguliert, handelt es sich um eine besonders aggressive Form. Folgestudien sollen nun Aufschluss darüber bringen, ob sich auch das Ansprechen auf die Therapie mit dieser Methode beurteilen lässt.

Wichtiger Unterschied

Während das St. Anna-Kinderspital nur an kindlichen Leukämien forscht, werden an der Neuroonkologie der MedUni Wien ausschließlich Kinder mit Gehirntumoren behandelt. „Das gilt es zu unterscheiden“, sagt Johannes Gojo, der vor 10 Jahren auf der Kinderklinik begonnen hat. Trotz medizinischer Fortschritte gibt es immer noch kindliche Hirntumore mit einer sehr schlechten Prognose. „Da etwas zu finden, motiviert uns.“ In der Forschung müsse man oft viel überdenken und probieren, aber: „Es macht Spaß, wenn man sieht, dass etwas funktioniert hat, und man das an Patienten weitergeben kann.“ Nützt es einem Patienten nichts mehr, weil es zu spät kam, profitieren vielleicht andere. Diese Meinung würden auch Eltern vertreten. „Alle sind damit einverstanden, dass wir forschen“, stellt Johannes Gojo dankbar fest.

Die MedUni Wien kooperiert mit zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. <span class="copyright">APA</span>
Die MedUni Wien kooperiert mit zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. APA

Spendenfinanzierte Forschung

So sind etwa zur Behandlung von Hautkrebs zugelassene Therapien jetzt bei Kindern mit Hirntumoren angekommen. „Durch die Forschung werden solche Prozesse vorangetrieben“, betont Gojo. Das Geld dafür ist in Österreich allerdings knapp bemessen. Umso wichtiger sind internationale Kooperationen, wie beispielsweise mit Harvard. „Das bringt uns sehr viel“, bestätigt Sibylle Madlener. Das Problem bei seltenen Tumoren sind die wenigen Fälle. Um dennoch etwas tun zu können, wurde ein Forschungsverein für zerebrale Gehirntumore bei Kindern gegründet, der sich aus Spenden finanziert. „Damit können wir einiges machen“, versichern Madlener und Gojo und bekräftigen: „Das gesamte Geld kommt direkt der Forschung für Kinder zugute.“

Forschungsgesellschaft für cerebrale Tumore
o Spendenkonto: UniCredit Bank Austria;

O IBAN: AT48 1200 0004 6900 1002;

O BIC: BKAUATWW
O Die Spende ist steuerlich absetzbar