Wein als Kulturakt

Heimat / 01.02.2022 • 09:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Wein als Kulturakt
Martin Prodinger (Hotel Sandhof), Weinkritiker Willi Balanjuk, Clemens Riedl („trinkreif“) und Tourismusdirektor Hermann Fercher.BI

Veranstaltung mit Weinkritiker Willi Balanjuk im Hotel Sandhof.

Lech Welche Kriterien gelten, um einen Wein fachmännisch beurteilen zu können? Diesen und noch vielen weiteren Fragen widmete sich die Veranstaltung „Wie bewertet ein Weinkritiker“ im Rahmen des einwöchigen Kulturformats „Arlberg Weinberg“ am vergangenen Sonntagnachmittag mit Willi Balanjuk im Hotel Sandhof in Lech. Willi Balanjuk ist einer der renommiertesten Weinkritiker Österreichs, Mastermind hinter dem A La Carte Weinguide, Weinakademiker, Diplom-Sommelier, Weinjournalist sowie Lektor an der Weinakademie und dem Diplom-Sommelierprogramm.

Geduld beim Beurteilen von Weinen

Das Herrichten der Weine nehme bei einer Bewertung viel Zeit in Anspruch: „Ein Drittel meiner Arbeitszeit verbringe ich nur mit Organisatorischem. Um Weine seriös bewerten zu können, beträgt ein Tagespensum zwischen 60 und 80 Flaschen Wein. Unter Druck kann ich auch einmal 100 Flaschen bewerten. Ich bevorzuge es, in Rhythmen von eineinhalb Stunden zu arbeiten und dazwischen Pausen zu machen.“ Eine wichtige Voraussetzung für den bekannten Weinkritiker ist es, alle Weine aus einem standardisierten Glas zu kosten,
damit die Bewertungen auf derselben Grundlage stattfinden. Weinverkostungen brauchen Geduld: „In einen Wein nur hineinzuriechen und ihn in zwei Minuten zu beurteilen, ist dilettantisch. Manchmal braucht es zehn, zwölf Minuten, bis er sein volles Aroma entwickelt hat. Und ab und zu macht es auch Sinn, die Flasche wieder zu verstöpseln, in den Kühlschrank zu stellen und ihn nach zwei Tagen erneut zu probieren. Ich habe mit dieser Vorgehensweise schon viele positive Überraschungen erlebt.“

Referenz-Bezüge sind wichtig

Bei den Weinverkostungen gelte es im ersten Schritt, die Optik des jeweiligen Weins zu beurteilen. Ein junger Wein weise mehr Intensität auf als ein alter. Bei Blindverkostungen sei ihm die Interferenz seiner Erfahrungen hilfreich: „Es ist für mich kein Problem, einen Wein auch blind zu verkosten. Aber es macht einfach mehr Sinn, ausreichend Referenz-Bezüge zu haben, wie um Beispiel den Jahrgang oder die Rebsorte.“

Anhand von Weinproben wurde die Theorie in die Praxis umgesetzt. Dabei wurden jeweils zwei Weine miteinander verglichen. Bei der retronasalen Assoziation gehe es darum, das Rückaroma bewusst wahrzunehmen: „Beim professionellen Kosten ist es wichtig, den Wein durch die Nase auszuatmen.“
Er empfehle außerdem, im Vorfeld einer Verkostung mit drei unterschiedlichen Weinen den Gaumen weinaffin zu machen: „Mit dieser Maßnahme kann man den Säuregrad im Gaumen selber kalibrieren.“

Weitere Diskussionspunkte waren die Debatte über die Klimaerwärmung und deren Folgen für den Weinanbau sowie die Punktevergaben bei Bewertungen: „Verkostungen sollen immer in einem entsprechenden Kontext erfolgen. Damit kann der Sorten- versus Jahrgangscharakter besser beurteilt werden.“ Abschließend betonte er: „Ich gehöre nicht zu den Kritikern, die meinen, es muss noch etwas Besseres geben. Bei mir ist das eine eher hedonistische Ebene, denn Wein ist schließlich zum Genuss da und nicht nur zur Analyse.“

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