Wenn ein Lkw als Theaterbühne dient

Heimat / 10.07.2022 • 09:40 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Schauspielerin Friederike Schreiber lässt in das Leben der Lkw-Fahrer blicken. <span class="copyright">BI</span>
Schauspielerin Friederike Schreiber lässt in das Leben der Lkw-Fahrer blicken. BI

Truckermärchen als Auftakt des diesjährigen Festivals Luaga und Losna.

NENZING Das renommierte internationale Theaterfestival Luaga und Losna für junge Menschen startete am vergangenen Dienstagvormittag mit der Veranstaltung „Truckermärchen“ in der Volksschule Halden in Nenzing Gurtis. Der idyllisch gelegene Vorplatz der Schule diente als Aufführungsort.

Mit Spannung erwarteten die 44 Schüler den Beginn der Veranstaltung. Als die Schauspielerin Friederike Schreiber mit ihrem Truck bei der Schule ankam, spendeten die Schüler eifrig Applaus. Die Spannung erhöhte sich spürbar.

Friederike Schreiber bespielte vorerst die Fahrerkabine ihres Lkw. Dort erzählte sie Geschichten, verwandelte sich in unterschiedlichste Personen und stellte sich selbst vor: „Hallo, ich bin Friederike. Ich bin Schauspielerin und Geschichtenerzählerin und liebe Märchen.“

Sie erzählte vom letzten Sommer, als sie sich während der Pandemie mit ihrem Truck auf den Weg machte und auf Raststätten andere Lkw-Fahrer kennenlernte. „Eine Raststätte ist ein Ort, an dem sich Menschen für eine kurze Zeit kennenlernen, die sich sonst nicht getroffen hätten.“ Diese Begegnungen wurden als Video aufgezeichnet und dienten als Grundlage für das Ein-Personen-Stück „Truckermärchen“. Und obwohl die Protagonistin betonte, Märchen zu lieben, erzählten ihre Geschichten vom oftmals harten und rauen Alltag von Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen.

Friederike Schreiber beantwortete im Anschluss an ihre Aufführung ausführlich und mit viel Geduld die Fragen der Schüler.
Friederike Schreiber beantwortete im Anschluss an ihre Aufführung ausführlich und mit viel Geduld die Fragen der Schüler.

Kindgerechte Darstellung

Friederike Schreiber ist Mitglied des Ensembles TheaterGrueneSosse in Frankfurt. „Truckermärchen“ ist ein bewusst gewähltes Outdoor-Format für ein kleines Publikum. „Wir haben Geschichten von Menschen gesammelt, die ihren Alltag auf Rastplätzen verbringen, dort waschen, kochen und schlafen – und vor allem warten“, erzählt Friederike Schreiber. Buchstaben bildeten ein wichtiges Versatzstück in dieser Produktion. Angefangen von V wie Vorstellung über W wie Wetter und Warenketten bis hin zu A wie Abschied. Denn auch Abschiede spielen beim Leben auf der Autobahn eine wichtige Rolle. Abschiede von Landschaften und Menschen, die man eben auf einer Raststätte kennenlernt.

Auch sozio-ökonomische Hintergründe wie etwa der Transport von Waren wurden von Schreiber kindgerecht erläutert. Die Performance dauerte eine Stunde, wobei immer wieder längere Pausen entstanden, wenn Schreiber als Lkw-Fahrerin zum Beispiel in Kanistern Wasser holen ging. Manche Kinder riefen sogleich: „Und wie geht es jetzt weiter?“ Auf diese Weise war der Spannungsaufbau durchgehend vorhanden. Im Laufe der Vorstellung diente auch die Ladefläche des Trucks als Bühne. Schreiber braute sich einen Tee, schnitt Gemüse, kochte – und symbolisierte so einen Alltag eines Lkw-Fahrers. Sie verwendete immer wieder Textbausteine in den unterschiedlichsten Sprachen, sprach über Grenzen und thematisierte anhand des Truckfahrers Vadim auch die Situation in der Ukraine.

Johannes Rausch (Luaga und Losna), Rochus Amann und Friederike Schreiber.
Johannes Rausch (Luaga und Losna), Rochus Amann und Friederike Schreiber.

Soziale Komponente

„Ich bin sehr froh, dass es nach der langen Zeit der Pandemie nun wieder möglich ist, mit Kindern eine Theatervorstellung zu besuchen. Es ist ideal, wenn diese direkt vor unserer Tür stattfindet“, erklärte Rochus Amann, Direktor der Volksschule Halden. Der Besuch von Veranstaltungen wie diese lockere den Unterricht auf. „Das Stück hat auch eine soziale Komponente. Das Ein-Frauen-Stück ist fast schon ein Kammerspiel und wirkt auch bei unseren jüngeren Schülern nach, selbst wenn sie manche Dinge nicht auf Anhieb verstehen.“ Das Interesse der Schüler war auf jeden Fall gegeben. Das Angebot, im Anschluss Fragen stellen zu können und den Lkw zu besichtigen, wurde rege in Anspruch genommen. BI

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