Neue Räume für das Lernen

Ein minimalistisch gegliederter, eingeschoßiger Riegel an der Gaißauer Straße in Höchst birgt eine differenzierte Lernlandschaft. Dietrich | Untertrifaller Architekten realisierten eine großzügige Clusterstruktur, die den Kindern Lernen in kleinen oder großen Gruppen, in verschiedenen Räumen oder im Freien ermöglicht.
Drei Geschoße hatte die alte Schule, und sie überragte die Einfamilienhäuser in der Umgebung massiv. Sie sollte modernisiert und erweitert oder durch einen Neubau ersetzt werden. Die Gemeinde Höchst schrieb dazu einen Wettbewerb aus, in dem die Fachjury dem Entwurf von Dietrich | Untertrifaller den 1. Preis zuerkannte. Ihr Konzept war riskant: Obwohl Flächenverbrauch ein wichtiges Thema ist, schlugen sie einen Neubau in einem Geschoß vor, damit jedes Kind gleich gute Verbindung zu den Frei- und Außenräumen hat. Beim Bau von Kindergärten galt das lange als selbstverständlich. Da die in allen Phasen des Bauvorhabens in Höchst beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen den Kontakt zur Natur, das Lernen mit und von der Natur schon in der Ausschreibung zum Thema machen konnten, überzeugte die Argumentation von Dietrich | Untertrifaller. Und nicht nur die Argumentation im Verein mit der durch viele Schulbauten ausgewiesenen Expertise der Architekten, sondern auch die räumliche Qualität des Entwurfs.
Seit September 2017 ist die Schule in Betrieb. Von der Straße aus sieht man in der Nordhälfte den überhöhten Eingangsbereich mit der Aula und die zur Hälfte im Untergeschoß versenkte Sporthalle, vor ihrem Fensterband liegt der neue Sportplatz. In der Südhälfte befinden sich Küche und Essraum, die Bibliothek, Verwaltung, Aufenthalts-, Konferenz- und Fachunterrichtsräume, von außen kaum unterscheidbar, hinter einem ganz ähnlich aussehenden Fensterband. Alle Bereiche sind untereinander und nach außen barrierefrei. Viele dieser Räume, vor allem die Sporthalle, können unabhängig vom Schulbetrieb durch alle Gemeindemitglieder genutzt werden. Wie ein Riegel liegen sie vor Räumen, die nur für die Kinder da sind.
An der lang gestreckten Rückseite sind je zwei Klassen zu einem Cluster zusammengefasst. Zu jedem dieser vier Cluster gehören zwei zur Morgensonne orientierte Klassenräume üblicher Größe, eigene Toiletten und Garderobenbereiche, zwei kleinere Räume für Projektarbeiten oder Ruhepausen und ein eigener Binnenhof. Alle Räume, auch der Hof, sind um einen zentralen Aufenthalts- und Kommunikationsraum gruppiert, der durch einen steilen Pyramidenstumpf mit Oberlicht überhöht wird. Von dieser kleinen Aula gelangt man durch eine große Glasschiebetür in den Hof, es gibt aber auch eine kleine Tür zum Garderobengang – und damit einen echten Rundlauf. Jeder Hof ist in überdachte und halb überdachte Zonen gegliedert, auch solche unter freiem Himmel. Zur Wiese im Osten sind die Höfe offen. Nur eine leicht geneigte Schwelle in Sitzhöhe, die durch zwei schmale Stufen noch leichter überwunden werden kann, markiert die Grenze zwischen halb außen und außen.
Jeder Cluster für sich bietet eine Fülle von Raumerlebnissen und Übergängen an. Klare Linienführung und große monochrome Flächen lassen die Sinne dabei zur Ruhe kommen. Fürs Auge wird das noch einmal erweitert: Große Glasflächen in einer Reihe erlauben ihm, durch alle vier Höfe und die dazwischen liegenden kleineren Räume zu wandern. Die Transparenz unterstützt das Arbeiten in kleinen Gruppen, da Lehrerinnen und Lehrer alle Kinder leicht im Blick behalten können.
Nordwestlich vom Schulgebäude gibt es jetzt wieder einen großen, hügeligen Spielplatz, der vom angrenzenden Kindergarten mit genutzt wird und auch allgemein zugänglich ist. Der Bau erhielt laut „Kommunalem Gebäudeausweis des Landes Vorarlberg“ 940 von 1000 Punkten und ist damit einer der am besten bewerteten Neubauten des Landes. Dazu trägt die Verwendung des regionalen Baustoffs Holz bei, die kontrollierte Be- und Entlüftung und Erdsonden zum Temperaturausgleich. Holz ist auch in fast allen Räumen zu sehen. Die Wände bestehen aus mehrschichtigen verleimten Massivholzplatten und sind nur gelegentlich mit großen Filzflächen bezogen – für eine bessere Akustik und als Pinnwand. Auch die Deckenkonstruktion liegt offen zutage. Diese Oberflächen wirken positiv auf das Lernklima und erhöhen auch das subjektive Wärmeempfinden, was sich günstig bei den Heizkosten abbildet.
Im Untergeschoß, das nur ein Viertel so groß ist wie der ober-
irdische Holzbau, liegen Technikräume und Garderoben. Hier betritt man auch die versenkte Sporthalle. Sie bekommt viel Tageslicht durch Oberlichten und seitliche Schaufenster, nach außen zum Sportplatz und ins Innere zu einem Mittelgang der Schule. Die Erschließung hat, wie so vieles bei diesem Neubau, eine doppelte Funktion. Stiegen und Fahrstühle ins Untergeschoß liegen in einem schmalen Betonkern, der das gesamte Gebäude stabilisiert.
Für neue Schulhäuser, die moderne Unterrichtsformen unterstützen und ihren Gemeinnutz durch öffentlich zugängliche Räume und Außenanlagen erhöhen, gibt es noch keine verbindlichen Standards. In Höchst wurde nun auf ökonomische Weise eine sehr großzügig gedachte Möglichkeit realisiert.
„Bei einem einge-schoßigen Schul- gebäude gibt es keine Hierarchien, alle Kinder haben gleich guten Zugang zu den Außenbereichen und den Sonderräumen.“

Die Sporthalle bekommt Tageslicht von oben und von beiden Seiten. Vom Sportplatz und von der inneren Erschließung aus kann man bequem hineinschauen, auch wenn örtliche Sportvereine sie nutzen.

Stiegen und Fahrstühle zur Sporthalle liegen in einem schmalen Betonkern, der das gesamte Gebäude stabilisiert.

Von der Straße aus sieht man die Fenster der zur Hälfte ins Untergeschoß versenkten Sporthalle, den überhöhten Eingangsbereich und ein weiteres Fensterband, hinter dem eine Vielzahl teils öffentlicher Räume angeordnet ist.

In der Seitenansicht markiert der Pyramidenstumpf über den Fenstern einen der zentralen Clusterräume. Die Sporthalle gibt sich nach Norden verschlossen.

Die Klassenräume und die Binnenhöfe sind an der Rückseite aufgefädelt. Die Höfe sind nur durch eine Schwelle in Sitzhöhe von der Wiese getrennt. Überdachung, lichter Sonnenschutz und freier Himmel korrespondieren mit verschiedenen Bodenbeschaffenheiten.

Große Glasflächen in einer Reihe lassen durch alle vier Höfe und die dazwischen liegenden kleineren Räume blicken. Die Transparenz unterstützt das Arbeiten in kleinen Gruppen, da Lehrerinnen und Lehrer alle Kinder leicht im Auge behalten können.

Ankommen in der kleinen Aula eines Clusters. Vor allem im Höhenunterschied zwischen diesem zentralen Raum und dem Verbindungsgang zur innenliegenden Erschließung wird die unterschiedliche Bedeutung der Räume spürbar.

Gegenüber dem Eingang liegen die beiden Klassenräume im Morgenlicht.

Im Klassenraum wartet alles
auf den Beginn des Schuljahres. Große monochrome Flächen und warme Farben wirken positiv auf das Lernklima, die Filzwand im Hintergrund verbessert die Akustik und wird als Pinnwand dienen.

Vor der Glasschiebetür zwischen Hof und kleiner Aula liegt ein gedeckter Übergangsbereich, breit genug zum Spielen und Lernen. Wenn die kleine Tür zur Garderobe offen steht, kann er Teil eines Rundlaufs sein.