Zusammenrücken auf dem Land

Vorarlberg wächst – nicht nur in der Anzahl der Menschen, auch in seinen Ansprüchen. Urbanität und Suburbanität, die Stadt und das Dorf und eine Anspruchskultur,
die auf Konsum gerichtet ist, sind eine große Herausforderung für Politik und
Verwaltung, aber auch für die Bürger(innen) selbst. Die aktuelle Baukultur
spiegelt diese Entwicklung deutlich wider. Im Falle eines Projektes
in der Gemeinde Krumbach ist es ein erfreuliches Bild, das Mut macht,
sich diesen eigenen Ansprüchen auch zu stellen.
Die baukulturellen Aktivitäten der Gemeinde Krumbach haben in den letzten Jahren mehrfach für große und überaus positive Resonanz gesorgt. Angefangen mit der Gestaltung des Dorfplatzes, dem Neubau von Pfarrsaal und Bibliothek, mehreren Projekten, die verdichtetes Wohnen im Dorfzentrum ermöglichen, der Zurverfügungstellung von Grundstücken in zentraler Lage für leistbaren Geschoßwohnungsbau – etwa beim Projekt „Krumbach Dorf“ von Hermann Kaufmann –, Kulturprojekten wie BUS:STOP Krumbach – einer Reihe von Bushaltestellen, die international für Furore sorgten und nach wie vor sorgen –, der Kapelle Salgenreute von Bernardo Bader, einer Reihe von privaten Projekten der Dorfbewohner(innen) und, und, und. Eine beeindruckende Bilanz für ein Dorf mit knapp 1000 Einwohner(inne)n, die Mut und Lust macht, es gleichzutun.
Mit dem neuen Projekt von Bauunternehmer Günter Morscher geht diese Entwicklung einen selbstverständlichen Schritt weiter. Die neue Wohnanlage im Ortsteil Unterkrumbach schafft Wohnraum in Passivhausqualität, als Miet-, Mietkaufs- oder Eigentumsmodell. „Das ist mir wichtig und auch unternehmerisch sinnvoll“, Günter Morscher und verweist an den Kollegen der Wohnbauselbsthilfe, Valon Hasani. „Diese Zusammenarbeit ist von einem gemeinsamen Verständnis getragen, was die Menschen brauchen und gern hätten. Wir können gut einschätzen, was gewünscht ist, aber auch, was für das Dorf zukünftig sinnvoll ist“, ergänzt dieser.
Gleich beim Betreten des Gebäudes wird der kulturelle Anspruch dieser Räume greifbar. Die Eingangs-
situation ist wohlproportioniert – ein überdachter Weg führt ins Gebäude, ihm zugeordnet sind Funktionen wie Radabstellplätze, Müllentsorgung, Briefkästen – kaum sichtbar für Besucher(innen), aber gut erreichbar für die Bewohner(innen). Ein überdachtes Atrium ist das große Asset und überrascht im Inneren. Als Herzstück und selbstbewusste Mitte des Bauwerks führt es in die Wohnungen, die von klein bis groß eines gemeinsam haben: „Wir kommen aus der Region und bauen für diese Region“, sagt Günter Morscher. „Uns ist es wichtig, mit unseren Gebäuden einen Beitrag zu leisten, damit man hier weiterhin sehr gut leben kann. Wir setzen daher auf solides und gutes Bauen und erreichen das durch die Zusammenarbeit mit verlässlichen und guten Partnern aus der Region, die sich so wie wir auch verantwortlich fühlen.“ Aus diesem Vertrauen und teilweiser langer Zusammenarbeit kommt eine spezifische Qualität. „Die Handwerksbetriebe wissen sehr genau, was wir an Qualität anstreben und am besten kommt dieses gemeinsame Verständnis wohl dann zum Ausdruck, wenn sich junge Handwerker(innen) selbst um eine der Wohnungen bemühen. In diesem Moment weiß ich, dass es gelungen ist. Die Themen Dorf, Zusammenleben, Zusammenarbeiten und Qualität haben dann einen gemeinsamen Nenner.“
Für die Planung des Baus ist das Bregenzer Architekturbüro „Bechter Zaffignani Architekten“ verantwortlich. Auch hier gibt es einen Link zur regionalen Verankerung, denn René Bechter lebt auch selbst in Krumbach und ist dem Ort verbunden. Gemeinsam mit seinem Partner Michelangelo Zaffignani und dem Team des Architekturbüros wurde das Bauwerk zuerst lokal verankert. Positionierung im Dorf und in der Landschaft, die Beziehungen des Gebäudes zu seiner Umgebung wurden ausgelotet. Ergebnis ist eine selbstverständliche Setzung – dem Straßenverlauf entlang, mit Sichtachsen zu Landschaft und umliegenden Gebäuden, dem subjektiven Gefühl von Privatheit doch auch Offenheit für die Bewohner(innen). Das Gebäude sollte ein Teil des Dorfes sein, das sich gut entwickelt, nicht zuletzt wegen ansprechender Wohnmöglichkeiten, guter Anbindung an den öffentlichen Verkehr, Einkaufsmöglichkeiten und einer Teilhabe am kulturellen Leben, das hier auch ein zeitgenössisches ist. Davon hat Krumbach mehr, als viele einer kleinen Gemeinde auf dem Land zutrauen. Das Leben auf dem Land, oft verklärt und mit Klischees verbunden, ist kein stabiles Phänomen, ebenso wie das Leben in der Stadt. Urbanisierung und Suburbanisierung sind gegenläufige Trends, die aber gleichzeitig stattfinden. Die Abwanderung städtischer Bevölkerungsteile in die ländlichen Kommunen des Landes beschäftigt auch den Bregenzerwald. Damit verbunden ist aber vielfach auch die Übernahme einer urbanen Anspruchskultur, dass immer alles und zu jeder Zeit verfügbar sein sollte. Damit tun sich viele Gemeinden schwer, ebenso wie mit Dorfbewohner(innen), die sich als „Dorf und Landschafts-
konsument(innen)“ verhalten, und sich im Alltag eher ins urbane Rheintal bewegen. Die große Herausforderung, urbanes und suburbanes, städtisches und dörfliches Leben in Vorarlberg in guten Einklang zu bringen, gelingt vor allem über Kooperativen und Qualität. Das Wohnprojekt in Unterkrumbach ist ein Ausdruck dafür – unaufgeregt und souverän steht es eben dafür: Kooperation und Qualität.
„Im Endausbau wird das Projekt in Unterkrumbach aus drei Etappen bestehen. Die erste wird bereits bewohnt, die zweite ist am Entstehen und im Verkauf und eine dritte soll noch folgen.“

Sichtbare Freude an der Zusammenarbeit und am Resultat. Wer sich gemeinsam um Qualität bemüht, kann auch gemeinsam ernten. Im Bild: Bauunternehmer Günter Morscher, Valon Hasani von der Wohnbauselbsthilfe und Architekt René Bechter.

Die luftige Loggia hat die Qualität eines Innenraumes. Eine freund-
liche Bewohnerin öffnet uns die Tür
und zeigt, wie sie die Räume individuell gestaltet hat.

Wir sind ein Teil des Dorfes.
Alle Räume nehmen die Sicht-
bezüge bewusst auf.

Das Leben am Land – viele suchen es wegen der Naturnähe.
Der Umgang mit Natur und Landschaft bleibt dennoch ein Thema,
auch für die Gestaltung.

Keine Angst vor Dichte Die Dörfer brauchen neuen Wohnraum, aber auch neue Wohnformen, die sich ins Ortsbild einfügen sollen,
aber auch Ausdruck von heute sein dürfen.

Gedanken zur Mobilität Anbindung an den öffentlichen Verkehr sind das Gebot der Stunde. Jedes gute Wohnprojekt nimmt diesen Aspekt
in seine Planung auf.

Schön gerahmt. Der Raum ist nicht nur nach innen gedacht. Jede Öffnung, jeder Winkel folgt funktionalen, aber auch ästhetischen Kriterien.

Gut versteckt und doch griffbereit: Die Infrastrukturräume erleichtern den Alltag. Hier am Beispiel des geräumigen Radabstellraumes im Eingangsbereich.

Herzstück und zentrale Mitte ist
ein luftiges, helles Atrium. Die Erschließung erfolgt über geräumige Laubengänge. Das macht Lust auf einen kleinen Tratsch mit den Nachbarn, auf Feste und ermöglicht spontane und ungekünstelte Begegnungen im Alltag.

