„Brauchen kein zweites Ischgl im Bregenzerwald“

Vermehrt kritische Stimmen zu Großbaustellen und Investorenmodellen in Schröcken. Auch Regio Bregenzerwald über Entwicklung besorgt.
Schröcken Baustellenfahrzeuge prägen seit Monaten das Ortsbild. Im 220-Seelen-Dorf Schröcken im Hinteren Bregenzerwald wird derzeit mit großer Kelle angerichtet. Hotelkomplexe werden hochgezogen, die Bettenzahl von einst 900 auf dann 1800 verdoppelt. Für Bürgermeister Herbert Schwarzmann eine Überlebensfrage. „Wir brauchen diese Kapazitäten für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung“, sagt er.

Andere fürchten ob der regen Bautätigkeit eher den Untergang. Die kritischen Stimmen zum Treiben in der malerischen Tourismusgemeinde jedenfalls mehren sich. Im Ort selbst wie auch in der gesamten Region. „Wir machen uns Sorgen, dass die Eigenheit und der Charakter des Bregenzerwaldes verloren gehen könnten“, sagt Guido Flatz, Bürgermeister in Doren und Obmann der Regio. „Wir brauchen kein Ischgl im Bregenzerwald“.

Die herbe Kritik zielt stark auf das überdimensionierte Bauprojekt „The Heimat“ im Ortsteil Neßlegg ab. Ein Investorenmodell, das Appartements und Hotelbetrieb verbinden soll. Ein Extrembeispiel, das es vielleicht auch brauche, um nachzudenken, ob das schon der richtige Weg sein könne, formuliert der Regio-Obmann vorsichtig. So erarbeite man derzeit unter anderem ein gemeinsames Landschaftsentwicklungskonzept. Da gehe es auch darum, Bewusstsein zu schärfen oder zu schaffen, dass es die Naturlandschaft zu erhalten gelte, so Flatz weiter. Grundsätzlich müsse aber klar sein, dass Raumplanung Sache der Gemeinden sei. Beim Thema der Investorenmodelle brauche es aber gesetzliche Grundlagen und die Unterstützung des Landes.

In Schröcken liegt die Weichenstellung gut zehn Jahre zurück. Unter Bürgerbeteiligung wurde ein Räumliches Entwicklungskonzept (REK) verabschiedet. Umfangreich Bauland gewidmet wurde schon in den Jahren davor. Die Bauflächen sind laut VN-Recherchen zwischen 1999 und 2021 von 7 auf 11 Hektar angewachsen – prozentuell einer der höchsten Anstiege unter allen 96 Gemeinden (+60 Prozent).
„Dorf war am Aussterben“
In der Gemeindestube herrschte einst Einstimmigkeit. Der Bauboom geht heute dennoch einigen zu weit. Für Bürgermeister Herbert Schwarzmann sind die Tourismusprojekte aber alternativlos. „Das Dorf war am Aussterben“. 30 Jahre sei nichts passiert, keine Investitionen, nichts. Mit der Liftanbindung nach Lech kamen erste Interessenten. Um die angestrebte Verdoppelung der Bettenanzahl erreichen zu können, habe es eben zwei Großprojekte gebraucht. „Im Dorf hatten wir niemanden, der bereit gewesen wäre, etwas Größeres umzusetzen“, verteidigt Schwarzmann auch „The Heimat“ in Neßlegg. Das als umstrittenes Investorenmodell umgesetzte Projekt sei notwendig gewesen – quasi als Initialzündung. „Man kann dazu stehen, wie man will, wir brauchen es“, so der Dorfchef weiter.

Zukünftig müsse man freilich genau prüfen, was noch Sinn ergebe. Reine Appartements auf Investorenbasis könne er sich jedenfalls nicht mehr vorstellen.
In Schröcken wird unterdessen weiter kräftig gebaut – neue Projekte stehen an. Eine Vorratswidmung habe es nie gegeben, versichert Schwarzmann. Jede Baulandwidmung sei an ein konkretes Vorhaben gebunden.
Eigenständigkeit der Gemeinden
Die Landesraumplanung verweist auf die Autonomie der Gemeinden. „Wir können nur im Rahmen des Gesetzes prüfen, ob die Ziele eingehalten sind“, sagt Abteilungsleiter Lorenz Schmidt. Die Gemeinden hätten viele Möglichkeiten, sich strategisch auszurichten. „In Schröcken wollte man auf dem begrenzt vorhandenen Platz das Bestmögliche herausholen“, so Schmidt. Ob das im Nachhinein in Neßlegg auch das Richtige gewesen sei, darüber könne man streiten.


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