Stefan Jochum: “Ich habe Drohbriefe erhalten”

Überraschend offen: Lecher Noch-Bürgermeister Stefan Jochum zog nüchterne Bilanz seiner Amtszeit.
LECH Gerade mal knapp zwölf Monate lang war Stefan Jochum in Lech Bürgermeister. Montagabend warf Jochum als Gemeindeoberhaupt das Handtuch. Als Gast von Vorarlberg live fand Jochum, der seine Funktion kommenden Freitag an Vizebürgermeisterin Cornelia Rieser übergeben wird, im Gespräch mit VN-Chefredakteur und Moderator Gerold Riedmann ungewohnt offene Worte und mit Emotionen besetzte Antworten.

Herr Bürgermeister, dass Ihre Aufgabe nicht einfach wird, war bekannt. Warum treten Sie nach einem Jahr zurück?
Dass es schwierig werden wird, war mir bekannt. Was ich nicht wusste, ist, dass dieses neue politische System in Lech mit vier Fraktionen für alle noch gewöhnungsbedürftig ist. Hinzu kam eine Zeit der Pandemie, das keine Wintersaison zuließ und ein Betretungsverbot für unsere Beherberungsbetriebe brachte. Wir hatten in der Folge bis zu fünf Sitzungen pro Woche, das war für uns eine außergewöhnliche Situation.
Ich bin enttäuscht und habe gedacht, ein guter Bürgermeister für Lech zu sein.
Stefan Jochum
Unser Dorf war leider schon im Wahlkampf gespalten.
Sie haben erklärt, dass Sie der Sündenbock für alle waren. Haben Sie das so empfunden?
Der Bürgermeister ist für viele Dinge in der Gemeinde verantwortlich. Wenn ich mich der Wahl als Bürgermeister stelle, dann brauche ich einen breiten Rücken und muss sagen, das halte ich aus. Bis zu einem gewissen Grad geht das auch. Ich hätte zumindest erwartet, dass man mir eine Chance gibt, mich in gewissen Dingen zu beweisen. Es war jedoch von allem Anfang sehr viel Widerstand gegen meine Person. Das hat schon im Wahlkampf begonnen, das Dorf war schon damals gespalten. Die Belastung ist für mich einfach riesengroß geworden. Ich möchte hier nicht jammern, aber ich bin ganz einfach an meine Grenzen gestoßen.

Sind Sie enttäuscht?
Ja, das bin ich schon. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich für Lech ein guter Bürgermeister sein und mich gut einbringen kann. Ich hatte gedacht, dass ich es mit meiner Diplomatie und mit meiner offenen Art schaffe, die vier Fraktionen zusammenzubringen. Das ist mir leider nicht gelungen, weil ich eben das Gefühl hatte, dass vieles auf einer sehr persönlichen Ebene war. Das hat mein Leben im letzten Jahr komplett verändert. Sie können mir glauben, es hat Wochen und Monate gedauert, bis ich meine Entscheidung getroffen habe. Aber schlussendlich habe ich mir gesagt: Stefan, wenn du so weitermachst, dann kann es sein, dass es in ein paar Monaten zu spät ist. Es gibt keinen Job dieser Welt, der es wert ist, Gesundheit und Lebensqualität aufs Spiel zu setzen.
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Wie sehr hat das Gemeindezentrum zur Entwicklung beigetragen?
Die ersten Monate dieser Periode waren ausschließlich von diesem Thema geprägt. Man hat über alle möglichen Dinge debattiert. Jetzt muss ich sagen: Diese zwei Gebäude stehen und gehören jetzt schon zu unserem Dorf.
Die kann man nicht mehr wegdenken.
Zurück zu Ihrem Rücktritt: Sind Sie auch bedroht worden?
Ich habe den einen oder anderen anonymen Brief bekommen, der nicht angenehm gewesen ist. Da beginnt man dann schon nachzudenken, was das bedeuten kann. Es war so, dass derartige Dinge passiert sind. VN-TW

Wer könnte neuer Bürgermeister von Lech werden?
LECH An der Spitze von Lech werden die Karten neu gemischt. Nun steht den Wahlberechtigten eine Bürgermeisterdirektwahl ins Haus. Unter einem Zeitraum von rund zwei Monaten an Vorbereitungen werde die Direktwahl nicht zu machen sein, sagt dazu Landeswahlleiter Gernot Längle. Kandidaten können nur aus den in der Gemeinde vertretenen Mandataren nominiert werden.
In der Gemeindestube sind derzeit die „Liste Lech“ mit acht, die Listen „Unser Dorf“ mit fünf und „Zusammen uf Weg“ mit vier sowie „Zukunft wagen“ mit einem Sitz vertreten. Welche Liste wen stellen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Hinter den Kulissen gibt es sogar welche, die sich Altbürgermeister Ludwig Muxel, der gegen Jochum in der Direktwahl verloren hatte, zurückwünschen.



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