Anziehend, beklemmend, wunderbar

Theaterfestival bei Kosmos: Der Auftakt war kurios, die Fortsetzung blickschärfend.
Bregenz. Die Bühne ist winzig, ein Abstellort irgendwo. Nur der Mittelteil der Tribüne kann besetzt werden und ist selbstredend rappelvoll. Wer das Schauspielhaus Wien nach Auftritten im Rahmen der Bregenzer Festspiele nicht nur gut in Erinnerung hat, hat sich gestern Abend mit dem Ensemble ausgesöhnt. Die Produktion „Körpergewicht. 17%“ wurde aufgeführt, und zwar im Rahmen jenes Festivals, das Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig, die Leiter des Theater Kosmos, initiiert haben, um die gerade geschlossene Theaterallianz zu feiern. Wer dem Bündnis angehört, gastiert in dieser Woche in Bregenz. Besagtes Schauspielhaus kam mit dem
Stück von Ewald Palmetshofer, das bei seiner Uraufführung im Jahr 2009 in Mannheim noch ein Viertel eines größeren Projekts war. Dem 45-minütigen Extrakt geht nichts ab, was ein großer Theaterabend braucht, handelt er doch von zwei Menschen, die die Leistungsgesellschaft irgendwann einmal ausgespien hat. Keine Spur von Larmoyanz klebt an ihnen, mehr noch, Regisseurin Felicitas Brucker lässt Angst und Beklemmung nur zwischen den Zeilen zu, und diese Vorgaben erfüllt die Schauspielerin Katja Jung exakt.
Und wenn wir schon beim Versöhnen sind: Nach jenen Betroffenheitsmonologen, die die Theaterlandschaft vor allem ab den 1990er-Jahren überschwemmt haben, ist es erfreulich, zu sehen, dass das Genre wieder an Boden gewinnt. Man muss es sprachlich nur so beherrschen, wie das Palmetshofer mit „Körpergewicht. 17%“ zeigt.
Es wäre doch zu schade
Auch die Wiederentdeckung von Daniil Charms (1905–1944) und der weiteren Autoren der russischen Avantgarde-Bewegung „Oberiu“ fällt in diese Zeit. Wer glaubt, sich an den absurden Texten sattgehört zu haben, hat „Uksus“ nicht erlebt. Komponist Erling Wold hält den Texten, die im Grunde genommen auch ein Anschreiben gegen Repression und Trostlosigkeit sind, ein jazzig-heiteres Klangbild entgegen, an dem sich Schauspieler und Sänger festhalten können, wenn sie uns mit dem scheinbaren Nonsens konfrontieren, dem doch so viel Beklemmendes innewohnt.
Yulia Izmaylova und Felix Strasser haben das Libretto erstellt und Regie geführt. Wäre doch zu schade, wenn diese wunderbare, kuriose Produktion nur in Kärnten geblieben wäre, wo das Klagenfurter Ensemble damit bereits Erfolge feierte. Ob das auch für das Mankell-Gastspiel des Schauspielhauses Salzburg und des Theaters Phönix in Linz gilt, wird sich in den nächsten Tagen weisen. ##Christa Dietrich-Rudas##


Die Aufführung aus Wien wird heute, 20 Uhr, im Theater Kosmos in Bregenz wiederholt. Das Festival dauert bis 1. Juli
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