Ein Liedinterpret nahe an der Vollkommenheit

Bariton Christian Gerhaher mit Schumann bei der Schubertiade.
Hohenems. (VN-ju) Dies gleich vorneweg: Der bayerische Bariton Christian Gerhaher (44), der jüngst bei der Schubertiade gastierte, ist auf dem Zenit der Liedgestaltung angekommen. Wie er Schönheit und Expressivität des Singens mit rhetorischer Vollkommenheit und überwältigender Gestaltungskraft vereint, grenzt an Vollkommenheit, bewegt, macht sprachlos. Ein zu diesem Einzeltermin aus dem ganzen Bodenseeraum und München herbeigeströmtes Publikum feierte den Sänger und seinen Klavierpartner Gerold Huber im Markus-Sittikus-Saal mit Ovationen.
Das Verhältnis Gerhahers zu diesem Festival, bei dem er bereits 1999 debütierte, ist nicht ganz friktionsfrei verlaufen. Nach einem Zerwürfnis mit dem Schubertiade-Chef 2003 war neun Jahre Sendepause, während der der Sänger eine beispiellose Karriere hinlegte. Seit der triumphalen Rückkehr im Vorjahr sind seine Auftritte natürlich ein Glücksfall.
Diesmal hat Gerhaher ein reines Schumann-Programm mitgebracht. Es imponiert, mit welcher Ernsthaftigkeit und Intelligenz er hier drei seiner zyklischen Werke ganz individuell ausleuchtet. In sieben Liedern aus dem 26-teiligen Zyklus „Myrten“ findet Gerhaher sofort den rechten Ton, nimmt seine Zuhörer bei der Hand und führt sie in Schumanns romantische Scheinwelt unstillbarer Sehnsüchte. Das Filetstück für die Zuhörer ist dann der makellos geformte Eichendorff-Liederkreis op. 39 mit der mit Spannung erwarteten „Mondnacht“ als Messlatte der Pianokultur.
Unglaubliche Spannweite
Sein Meisterstück aber liefert Gerhaher mit dem Kerner-Liederkreis op. 35, der ihm durch die Personifizierung des Dichters noch größere Anteilnahme und Gestaltungsvielfalt bietet. Unglaublich seine Spannweite zwischen dem vibratolos fahl gehauchten „Stirb, Lieb’ und Freud’“ und den ins Heldische reichenden Tönen des Opernstars in „Stille Tränen“. In langen gemeinsamen Jahren hat er auch eine bis in kleinste Details reichende Balance mit Gerold Huber gefunden, der die so modern scheinenden Vor- und Nachspiele Schumanns ungemein sorgsam ausmodelliert.
Hörfunkwiedergabe: 14. Oktober, 10.05 Uhr, Ö1. Weitere Schubertiadekonzerte: 2. bis 8. Oktober
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