Die neue Masche der Noémi Kiss

Kultur / 01.09.2014 • 20:27 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die neue Masche der Noémi Kiss

In Schnifis strickt die Wiener Künstlerin Noémi Kiss mit Bauschaum an den Verbindungen zwischen Mensch und Material.

SCHNIFIS. (VN-ag) Interdisziplinäre Kunstprojekte und spannende Gegenwartskunst zwischen Seilbahnstation, Dorfbrunnen und Sennerei? Barbara Anna Husar macht‘s möglich. Seit 2010 betreut die Künstlerin den Kunstraum 12c in der 700-Seelen-Gemeinde Schnifis und bringt dort aktuelle Positionen und Orte zusammen. Mit Noémi Kiss ist derzeit eine Künstlerin im 12c zu sehen, die als Materialfetischistin erster Güte durchgeht.

Textile Klischees

Mit Spitze und Beton stehen nicht nur zwei konträre Werkstoffe im Fokus der Künstlerin und Gestalterin, sondern auch ein vehementes Interesse an den Verbindungen und Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Material. Bekannte Material­erfahrungen

darf man dabei getrost vergessen. Die Spitzendeckchen, die für Heimeligkeit und vergangene Zeiten stehen, mit dem Textilen aber auch ein Klischee von Weiblichkeit verkörpern, explodieren bei Noémi Kiss nicht nur im Maßstab. Aus ihrem Dornröschenschlaf geholt, ihrem verstaubten Image entrissen, findet die Künstlerin eine ganz neue Masche. Nicht aus Garn oder aus Wolle gehäkelt oder gestrickt, spritzt Noémi Kiss ihre Spitzen einfach aus PU-Schaum. Womit normalerweise abgedichtet wird, baut die Künstlerin „Löcher“. Überdimensional, vor die Wand gehängt, erscheinen die vergrößerten Zierdeckchen wie Spinnennetze, in denen sich unsere Gedanken verfangen. Die vermeintliche Zartheit von Spitze und Garn entpuppt sich als spröde und hart, der Vergänglichkeit unterworfen, denn binnen eines Jahres verfärbt sich der Bauschaum ins Bräunliche und zerfällt schließlich.

Teppich-Käfer

Das Durchleben der Zeit, Erneuerung und Verfall, kommt auch in den aus alten, abgewetzten, abgetretenen und von Motten zerfressenen Perserteppich-Objekten zum Tragen, wie jenem großen Käfer, der wie ein bizarr gemusterter Schatten über die Wand zu krabbeln scheint. Spielerisch das Unmögliche aufzeigen, den Mut haben, Dinge zu tun, die verrückt scheinen: Diese Intention des Werks spricht auch aus einem vor Ort entstandenen Objekt, einer Tischplatte aus Beton, die von einer Reihe von Messern durchstoßen wird. Wie sanft ruht man eigentlich auf einem Kissen aus Beton? Diese Frage evozieren die Polster, die Noémi Kiss aus derbem Baumaterial gießt und in denen unsere Vorstellung von Weichheit unmittelbar mit der Realität des Materials kollidiert. Gebrauchsobjek-

te, die man nicht benützen kann, (Teppich-)Böden, die man nicht betreten kann, Spitzendeckchen, die man nicht berühren kann – Noémi Kiss lässt Gewachsenes auf Gemachtes prallen, jongliert mit Materialästhetik, lädt banale, kunstfremde Werkstoffe mit neuer Bedeutung auf und fordert auf, unsere Vorstellungen von Materialität, aber auch die Wertschätzung der Natur, zu hinterfragen und neu zu überdenken.

Die neue Masche der Noémi Kiss
   
   

Zur Person

Noémi Kiss

Künstlerin, Architektin, Philosophin

Geboren: 1969 in Siebenbürgen

Ausbildung: Studium der Philosophie und Architektur in Wien

Laufbahn: zahlreiche Ausstellungen und Projekte, Gründerin des Modelabels „Wiener Fetzen“, bis 2013 Teil des Künstlerduos „KISS THE REICHL“

Wohnort: Wien

Die Ausstellung ist im Kunstraum 12c in Schnifis (Dünserstraße 12c) bis 30. September geöffnet, Di und Fr, 16 bis 18 Uhr, sowie nach Vereinbarung unter 0664/2311311.

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